Für Menschen, die nicht eindeutig dem männlichen oder weiblichen Geschlecht zugeordnet werden können, soll künftig für Eintragungen im Personenstandsregister der Eintrag "divers" möglich sein. Ein entsprechender Gesetzentwurf der Bundesregierung (vgl. ZAP Anwaltsmagazin 17/2018, S. 865) ist im Dezember von Bundestag und Bundesrat gebilligt worden. Bei der vorangegangenen Expertenanhörung wurde das vorgesehene ärztliche Attest als Voraussetzung für den neuen Eintrag noch sehr kontrovers diskutiert. Mit dem Gesetz reagiert die Regierung auf eine Entscheidung des BVerfG aus dem vergangenen Jahr, in der gefordert wurde, auch die geschlechtliche Identität derjenigen zu schützen, die sich dauerhaft weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen lassen. Dafür reiche es aber nicht aus, wenn nur die Möglichkeit bestünde, keine Angabe zu machen (s. ZAP EN-Nr. 698/2017).
In der Anhörung sagte ein Professor von der Ludwig-Maximilians-Universität München, der Entwurf erfülle im Grundsatz die Vorgaben des BVerfG. Es sei aus seiner Sicht zwingend, dass für einen Geschlechtseintrag "divers" ein Nachweis erbracht werde – es sei denn, der Gesetzgeber entscheide sich dazu, den Geschlechtseintrag komplett zu streichen, was ebenfalls möglich wäre. Das Personenstandsrecht sei aktuell von einer binären Vorstellung zweier Geschlechter geprägt, dies werde sich so schnell nicht ändern. Ein Attest sei aus seiner Sicht die geringere Hürde, sagte er. Die immer wieder diskutierte eidesstattliche Erklärung sei aufgrund ihrer möglichen strafrechtlichen Konsequenzen der größere Eingriff.
Die Vertreterin des Deutschen Instituts für Menschenrechte bat darum, der Ausschuss möge die vorgesehene Attestpflicht "kritisch überprüfen". Nicht jeder intergeschlechtliche Mensch habe Zugang zu seinen medizinischen Unterlagen. Insbesondere für betroffene Erwachsene, die zum Teil eine lange Leidensgeschichte hinter sich hätten, könne es eine erhebliche Belastung sein, ein ärztliches Attest zu besorgen. Als ein milderes Mittel sei aus ihrer Sicht eine eidesstattliche Versicherung denkbar.
Die Direktorin der Urologie, Kinderurologie und Urologische Onkologie der Kliniken Essen-Mitte sagte in ihrer Stellungnahme, sie plädiere dafür, die ungünstige Formulierung "offen" bei der Personenstandsangabe in "ohne Angabe" zu ändern. Das geforderte Attest sah sie weniger kritisch als andere Experten: Betroffene Kinder fielen i.d.R. direkt nach der Geburt oder dann auf, wenn es bei der Entwicklung ungewöhnliche Beobachtungen gebe; sie seien dann regelmäßig in ärztlicher Betreuung. Bei Erwachsenen, bei denen die geschlechtliche Entwicklung nicht aufgefallen sei, sei es dagegen sehr kompliziert, Varianten der Geschlechtsentwicklung festzustellen; bei ihnen solle eine Erklärung ausreichend sein.
Eine Professorin der Universität Bremen forderte mehr Klarstellungen im Gesetz. So solle es ein vereinfachtes Verfahren für die Änderung des Vornamens geben. Diese müsse nicht zwangsläufig mit einer Änderung des Registergeschlechts einhergehen.
Für ein unterschiedliches Verfahren bei Kindern und Erwachsenen sprach sich auch eine Professorin von der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin der Ruhr-Universität Bochum aus. Bei Erwachsenen sei die geschlechtliche Entwicklung nur extrem schwer nachweisbar, wenn sie nicht nach der Geburt erkannt worden sei. In diesem Fall solle eine einfache Erklärung ausreichend sein, während bei Kindern unkompliziert ein ärztliches Attest vorgelegt werden könne.
Als einziger Sachverständiger äußerte sich ein Psychiater grundsätzlich kritisch zum Gesetzentwurf. Die Zahlen der betroffenen Menschen seien nicht haltbar; nur ein Bruchteil leide tatsächlich unter Störungen der sexuellen Entwicklung. Für die Feststellung sei eine umfangreiche Diagnostik und ein psychiatrisches Gutachten unabdingbar. Er empfehle eine Überarbeitung des Entwurfs "auf realistischer Datenbasis".
[Quelle: Bundestag]