In Verfahren nach der Zivilprozessordnung bedarf es sowohl für die Berufung als auch für die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision – nicht aber für die Revision (unzutreffend deshalb Drasdo, NZM 2019, 327 im Einleitungssatz) – einer Mindestbeschwer, es sei denn, das Ausgangsgericht hat das Rechtsmittel zugelassen. Das Rechtsmittelgericht ist an eine Zulassung gebunden (§ 511 Abs. 4 S. 2 ZPO bzw. § 443 Abs. 2 S. 2 ZPO). Das Rechtsmittel ist dann ohne Weiteres, ohne dass es auf die Beschwer ankommt, statthaft.
1. Berufung
Die Berufung ist zulassungsfrei nur statthaft, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 600 EUR übersteigt (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung gibt es nicht.
Praxistipp:
Wer sich bei einer (potenziellen) Beschwer des Mandanten von bis zu 600 EUR die Berufung offenhalten will, sollte beim Erstgericht die Zulassung der Berufung (§ 511 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) anregen oder, wenn möglich, durch entsprechenden Vortrag – schon in der ersten Instanz – darlegen und glaubhaft machen, dass für den Mandanten mehr als 600 EUR auf dem Spiel stehen.
2. Revision
Die Revision zum Bundesgerichtshof (BGH) ist nur statthaft, wenn sie entweder vom Berufungsgericht oder vom BGH auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung zugelassen wurde (§ 543 Abs. 1 ZPO). Seit der ZPO-Reform 2002 ist die Revision ausschließlich als Zulassungsrevision statthaft; eine zulassungsfreie (WertâEUR‘)Revision gibt es seither nicht mehr. Für die (zugelassene) Revision ist eine bestimmte Höhe der Beschwer auf der anderen Seite nicht mehr erforderlich.
3. Nichtzulassungsbeschwerde
Obwohl die (zugelassene) Revision keiner bestimmten Höhe der Beschwer bedarf, ist die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision nur statthaft, wenn der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20.000 EUR übersteigt. Diese Wertgrenze hat der Gesetzgeber etwas verschämt und versteckt – und deshalb vielen Instanzanwälten nicht geläufig – in § 26 Nr. 8 S. 1 EGZPO geregelt. § 26 Nr. 8 EGZPO war zunächst befristet bis 1.1.2007 (BGBl I 2000, 1887, 1907 re.Sp). Die Befristung wurde mehrfach verlängert, zuletzt bis 31.12.2019 (BGBl I 2018, 863).
Hinweis:
Voraussichtlich am 1.1.2020 [nach Drucklegung dieses Beitrags] wird das Gesetz zur Regelung der Wertgrenze für die Nichtzulassungsbeschwerde in Zivilsachen, zum Ausbau der Spezialisierung bei den Gerichten sowie zur Änderung weiterer zivilprozessrechtlicher Vorschriften (BT-Drucks 19/13828) in Kraft treten. Dieses sieht vor, § 26 Nr. 8 EGZPO durch § 544 Abs. 2 ZPO-E mit gleichem Inhalt zu ersetzen, d.h. die Wertgrenze in die ZPO zu übernehmen und damit zu entfristen. Die Beratung durch den Bundesrat im zweiten Durchgang hat am 29.11.2019 stattgefunden, so dass das Gesetz wohl noch rechtzeitig vor Auslaufen der bis zum 31.12.2019 befristeten Regelung des § 26 Nr. 8 EGZPO im Bundesgesetzblatt verkündet werden wird. An den Darlegungen in diesem Beitrag (und in den beiden bereits erschienenen) ändert sich durch die Rechtsänderung nichts.
An der Verfassungsmäßigkeit einer Wertgrenze hat das Bundesverfassungsgericht keinen Zweifel (BVerfG, Beschl. v. 6.2.2007 – 1 BvR 191/06, juris Rn 12 = BVerfGK 10, 258).
Die Wertgrenze gilt nicht, wenn das Berufungsgericht die Berufung (als unzulässig) verworfen hat, § 26 Nr. 8 S. 2 EGZPO (bzw. § 544 Abs. 2 Nr. 2 ZPO-E), d.h., sie ist dann unabhängig vom Wert statthaft.
Praxistipp:
Wer bei sich bei einer (potenziellen) Beschwer des Mandanten von bis zu 20.000 EUR die Revision offenhalten will, sollte beim Berufungsgericht die Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) anregen und/oder, wenn möglich, durch entsprechenden Vortrag – spätestens in der Berufungsinstanz, besser schon von vornherein – darlegen und glaubhaft machen, dass für den Mandanten mehr als 20.000 EUR auf dem Spiel stehen.
Um mit der statthaften Nichtzulassungsbeschwerde erfolgreich zu sein, muss für deren Begründetheit ein Zulassungsgrund (§ 543 Abs. 2 S. 1 ZPO) vorliegen. (Zu den Zulassungsgründen, die hier nicht behandelt werden, s. Geipel, ZAP 2013, 453 = F. 13, S. 1857 sowie die Dissertation von Rupprecht, Gründe für die Zulassung der Revision in deutschen Prozessordnungen, 2015; zur Zulassungspraxis des BGH s. Winter, NJW 2016, 922).