I. Überblick
Ab dem 1.1.2021 ist es wieder einmal soweit: Der Anwalt wird sich wieder mit dem Übergangsrecht befassen müssen, also mit der Vorschrift des § 60 RVG. Zum 1.1.2021 werden durch das KostRÄG 2021 mit Ausnahme der Beratungshilfegebühr der Nr. 2500 VV RVG alle Gebührenbeträge angehoben. Auch die Reisekostenbeträge nach Nr. 7003 und 7005 VV werden erhöht. Darüber hinaus werden auch weitere Vorschriften im RVG geändert. Für den Anwalt wird es daher entscheidend sein, ob er noch nach der alten Gesetzesfassung abrechnen muss oder ob er bereits nach der Neufassung abrechnen darf.
Der Schlüssel zu der Frage, welches Recht anzuwenden ist, liegt in der Regelung des § 60 RVG. Hier kommt allerdings hinzu, dass diesmal auch die Übergangsvorschrift selbst geändert worden ist. Sie ist zudem bereits vorzeitig in Kraft getreten, damit für neue Übergangsfälle bereits die neue Übergangsregelungen Anwendung finden.
Die Neuregelung des § 60 RVG ist im Gesetzgebungsverfahren mehrfach nachgebessert worden. Sie lautet in ihrer endgültigen Endfassung wie folgt:
Zitat
(1) 1Für die Vergütung ist das bisherige Recht anzuwenden, wenn der unbedingte Auftrag zur Erledigung derselben Angelegenheit vor dem Inkrafttreten einer Gesetzesänderung erteilt worden ist. 2Dies gilt auch für einen Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse (§ 45, auch in Verbindung mit § 59a). 3Steht dem Rechtsanwalt ein Vergütungsanspruch zu, ohne dass ihm zum Zeitpunkt der Beiordnung oder Bestellung ein unbedingter Auftrag desjenigen erteilt worden ist, dem er beigeordnet oder für den er bestellt wurde, so ist für diese Vergütung in derselben Angelegenheit bisheriges Recht anzuwenden, wenn die Beiordnung oder Bestellung des Rechtsanwalts vor dem Inkrafttreten einer Gesetzesänderung wirksam geworden ist. 4Erfasst die Beiordnung oder Bestellung auch eine Angelegenheit, in der der Rechtsanwalt erst nach dem Inkrafttreten einer Gesetzesänderung erstmalig beauftragt oder tätig wird, so ist insoweit für die Vergütung neues Recht anzuwenden. 5Das nach den Sätzen 2 bis 4 anzuwendende Recht findet auch auf Ansprüche des beigeordneten oder bestellten Rechtsanwalts Anwendung, die sich nicht gegen die Staatskasse richten. 6Die Sätze 1 bis 5 gelten auch, wenn Vorschriften geändert werden, auf die dieses Gesetz verweist.
(2) Sind Gebühren nach dem zusammengerechneten Wert mehrerer Gegenstände zu bemessen, gilt für die gesamte Vergütung das bisherige Recht auch dann, wenn dies nach Absatz 1 nur für einen der Gegenstände gelten würde.
(3) In Angelegenheiten nach dem Pflegeberufegesetz ist bei der Bestimmung des Gegenstandswerts § 52 Absatz 4 Nummer 4 des Gerichtskostengesetzes nicht anzuwenden, wenn der unbedingte Auftrag zur Erledigung derselben Angelegenheit vor dem 15.8.2019 erteilt worden ist.
II. Die Grundsätze des § 60 RVG
1. Überblick
Zunächst einmal muss man die Grundsätze herausarbeiten, die sich aus dem neuen § 60 RVG ergeben. Auch wenn der Gesetzeswortlaut etwas schwierig zu verstehen ist, ist die Rechtslage nach der Neufassung doch relativ einfach geworden. Maßgebend sind nur die Absätze 1 und 2. § 60 Abs. 3 RVG spielt für das KostRÄG 2021 keine Rolle.
2. Wahlanwaltsvergütung: Unbedingter Auftrag zur Angelegenheit (§ 60 Abs. 1 S. 1 RVG)
a) Unbedingter Auftrag
Für die Wahlanwaltsvergütung ist nach § 60 Abs. 1 S. 1 RVG zunächst einmal auf das Datum der unbedingten Auftragserteilung zur jeweiligen Angelegenheit abzustellen. Ist der unbedingte Auftrag vor dem 1.1.2021 erteilt worden, gilt vorbehaltlich § 60 Abs. 1 S. 5 RVG (s.u. 5) altes Recht; ist er nach dem 31.12.2020 erteilt worden, gilt neues Recht.
Beispiel:
Der Anwalt ist im Dezember 2020 beauftragt worden, eine Klage einzureichen. Nach Freigabe durch den Mandanten wird die Klage im Januar 2021 eingereicht.
Maßgebend ist der Auftrag im Dezember 2020. Für den Anwalt des Klägers gilt daher noch altes Recht.
Da die Frage des anzuwendenden Vergütungsrecht für jeden Anwalt gesondert nach § 60 RVG zu prüfen ist, kann es dazu kommen, dass der eine Anwalt noch nach altem Recht abrechnet, der andere dagegen bereits nach neuem Recht.
Beispiel:
Im vorangegangenen Beispiel beauftragt der Beklagte nach Zustellung der Klage einen Anwalt mit der Abwehr der Klage.
Maßgebend für den Anwalt des Beklagten ist sein Auftrag, der logischerweise in 2021 liegen muss. Für ihn gilt daher bereits neues Recht.
b) Bedingter Auftrag
War lediglich ein bedingter Auftrag erteilt worden, so ist nach § 60 Abs. 1 S. 1 RVG der spätere Zeitpunkt des Bedingungseintritts (§ 158 Abs. 1 BGB) maßgebend.
Häufigster Anwendungsfall ist der, dass der Anwalt mit einer bestimmten Tätigkeit beauftragt wird und für den Fall, dass diese zu keinem Erfolg führe, er bereits den Auftrag zu weiterer Tätigkeit erhält.
Beispiel:
Der Anwalt hatte vom Mandanten im Dezember 2020 den Auftrag erhalten, den Schuldner anzumahnen, und für den Fall, dass dieser nicht bis zum 4.1.2020 zahle, Klage zu erheben.
Die außergerichtliche Tätigkeit richtet sich nach altem Recht, da der unbedingte Auftrag hierzu noch vor dem 1.1.2021 erteilt worden ist. Der Auftrag zur Klage ist zwar auch noch vor dem 1.1.2021 erteilt worden; er stand jedoch unter einer Bedingung, nämlich der Nichtza...