Hinweis:
Zur Fahrtenbuchauflage 2020 s. Koehl SVR 2020, 456.
Vor dem Hintergrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Einsichtsrecht in Messunterlagen (s.o. III. 4. b) geht das OVG Münster davon aus, dass das Fehlen von Rohmessdaten bei Anordnung eines Fahrtenbuchs nicht zur Unverwertbarkeit der Ergebnisse der Messung führt (VRR 2/2021, 24 [Niehaus]). Unmöglich i.S.d. § 31a Abs. 1 S. 1 StVZO ist die Feststellung des verantwortlichen Fahrers dann, wenn die Bußgeldbehörde nach den Umständen des Einzelfalls nicht in der Lage war, den Täter einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften zu ermitteln, obwohl sie alle angemessenen und zumutbaren Maßnahmen getroffen hat. Ein Ermittlungsdefizit der Behörde liegt nicht ohne weiteres schon dann vor, wenn die Bußgeldbehörde den Fahrzeughalter über den Misserfolg ihrer bisherigen Ermittlungsbemühungen nicht in Kenntnis gesetzt und zu einer weitergehenden Mitwirkung an der Aufklärung aufgefordert hat. Hierzu kann sie mit Blick auf die Kürze der Verfolgungsverjährungsfrist und das Gebot der Angemessenheit ihrer Ermittlungsbemühungen allenfalls dann gehalten sein, wenn die Gesamtumstände den Schluss zulassen, dass eine erneute Kontaktaufnahme mit dem Fahrzeughalter die Ermittlungen tatsächlich fördern könnte. Allein die immer gegebene nur abstrakte Möglichkeit, eine erneute Anhörung oder sonstige Beteiligung des Halters könnte diesen überhaupt oder zu einer weitergehenden Mitwirkung veranlassen, genügt dafür nicht (OVG Münster NJW 2020, 2572 = VRR 3/2021, 27 [Deutscher]). Aus der Perspektive des Verfahrens zur Anordnung einer Fahrtenbuchführung kann eine im vorausgegangenen Bußgeldverfahren unterbliebene zusätzliche zeugenschaftliche Anhörung des Fahrzeughalters nicht als versäumte Ermittlungsmaßnahme betrachtet werden, wenn gegen den nur als Betroffenen gehörten Halter weiterhin erheblicher Tatverdacht bestand (OVG Lüneburg NZV 2020, 600 [Brandmair]). Ein Aussage- oder Zeugnisverweigerungsrecht des Fahrzeughalters in einem Ordnungswidrigkeiten- oder Strafverfahren steht der Anordnung zur Führung eines Fahrtenbuchs nicht entgegen. Auch ein erst- oder einmaliger Verkehrsverstoß von erheblichem Gewicht kann eine Anordnung zum Führen eines Fahrtenbuchs rechtfertigen (OVG Magdeburg DAR 2020, 647).
ZAP F. 9 R, S. 497–512
Von Richter am Amtsgericht Dr. Axel Deutscher, Bochum