Gebietsübergreifend ist für die tägliche Anwaltspraxis von erheblicher Bedeutung, dass seit 1.1.2022 eine verbindliche Pflicht von Rechtsanwälten zur elektronischen Kommunikation mit Justizbehörden besteht. Einschlägig sind insoweit die §§ 130d ZPO, 14b FamFG, 46g VwGO, 65d ArbGG und 52d FGO. Für das Strafverfahren ist § 32d StPO maßgebend, der über die Verweisungsvorschrift des § 110c OWiG im Bußgeldverfahren entsprechend gilt. Diese Vorschriften sind unterschiedlich ausgestaltet (eingehend Jungbauer DAR 2022, 52 zum Zivilverfahren und 168 zum Strafverfahren). § 32d StPO etwa differenziert zwischen zwei Arten von elektronisch einzureichenden Dokumenten. Nach S. 2 besteht ein Nutzungszwang bei den dort genannten bestimmenden Schriftsätzen, v.a. bei der schriftlichen Einlegung und Begründung von Berufung und Revision oder der die Anschlusserklärung bei der Nebenklage, nicht aber beim Einspruch gegen den Strafbefehl oder bei der Einlegung der (sofortigen) Beschwerde. Ein Verstoß gegen den Nutzungszwang führt zur Unwirksamkeit der Erklärung (zu § 130d ZPO LG Frankfurt VRR 3/2022, 18 [Burhoff]). Bei anderen Schriftsätzen besteht lediglich eine Nutzungspflicht (näher zu § 32d StPO Deutscher VRR 2/2022, 4; StRR 2/2022, 5). Vorrangiges Mittel der Kommunikation ist für den Anwalt das wegen seiner geringen Benutzerfreundlichkeit recht unbeliebte beA.
Hinweis:
Diese Vorschriften verlangen strenge Beachtung in der anwaltlichen Praxis, um den Aufwand und das Risiko der Wiedereinsetzung und Haftungsrisiken zu vermeiden.
Die in § 32a Abs. 6 S. 2 StPO vorgesehene Fiktion fristwahrender Einlegung nach Hinweis auf die mangelnde Eignung einer zuvor mittels elektronischen Dokumentes eingereichten Revisionsbegründung kann nur durch die Einreichung eines für die Bearbeitung durch das Gericht geeigneten elektronischen Dokumentes ausgelöst werden, nicht durch übermittlung einer Revisionsbegründung in Papierform. Ebenso genügt nur die Einreichung eines für die Bearbeitung durch das Gericht geeigneten elektronischen Dokumentes den Anforderungen einer die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand rechtfertigenden Nachholung der versäumten Handlung (OLG Oldenburg VRR 3/2022, 23 [Burhoff].
Hinweis:
Angesichts der immensen Bedeutung der neuen Vorschriften für die tagtägliche Praxis und der Schwierigkeiten bei der praktischen Umsetzung ist alsbald mit einer Vielzahl einschlägiger Entscheidungen zu rechnen.
ZAP F. 9 R, S. 493–512
Von Richter am Amtsgericht Dr. Axel Deutscher, Bochum