Für die Zivilgerichtsbarkeit sowie die Fachgerichte hat das BMJ im November 2022 einen Referentenentwurf veröffentlicht; er soll die bereits während der Pandemiezeit verstärkt eingesetzten Videoverhandlungen weiter ausbauen. In dieser Zeit hätten die Gerichte mit der verstärkten Durchführung von Videoverhandlungen Erfahrungen gesammelt, hieß es; dadurch hätten wertvolle Erkenntnisse gewonnen werden können, wie der Einsatz von Videotechnik in der Ziviljustiz weiter verstärkt werden könne.
Das Ministerium hebt hervor, dass mit dem nun vorgelegten Gesetzentwurf Vorschläge aus der Justizpraxis aufgegriffen worden seien; diese seien zusammengeführt und weiterentwickelt worden. Ziel sei es, mit Videoverhandlungen und Videobeweisaufnahmen eine schnellere und kostengünstige Verfahrensführung zu erreichen. Damit werde ein wichtiger Beitrag zu der angestrebten Modernisierung und Digitalisierung der Justiz geleistet und entsprechende Vereinbarungen aus dem Koalitionsvertrag umgesetzt.
Das BMJ plant u.a. folgende Neuerungen für das zivilgerichtliche Verfahren:
- Die zentrale Norm für Videoverhandlungen (§ 128a ZPO) wird insgesamt neu gefasst: Danach soll das Gericht eine Videoverhandlung nicht mehr nur gestatten, sondern gegenüber den Verfahrensbeteiligten anordnen können. Die Anordnung erfolgt durch die Vorsitzende oder den Vorsitzenden. Die Verfahrensbeteiligten können innerhalb einer zu bestimmenden Frist beantragen, von dieser Anordnung ausgenommen zu werden. Auch bei übereinstimmenden Anträgen der Parteien auf Durchführung einer Videoverhandlung soll diese i.d.R. angeordnet werden. Lehnt das Gericht einen Antrag auf Videoverhandlung ab, ist diese Entscheidung zu begründen und mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar. Vollvirtuelle Verhandlungen, bei der sich auch das Gericht nicht im Sitzungssaal aufhält, sollen ebenfalls ermöglicht werden.
- Die Regelungen zur Videobeweisaufnahme (§ 284 ZPO-E) sollen erweitert werden. Künftig soll auch eine Inaugenscheinnahme per Video möglich sein. Zudem soll auch die Videobeweisaufnahme durch das Gericht angeordnet werden können.
- Die bisher für die Nutzung von Videokonferenztechnik nach den Gerichtskostengesetzen zu erhebende Auslagenpauschale soll entfallen.
- Anträge und Erklärungen zum Protokoll der Geschäftsstelle sollen zukünftig per Video gegenüber der Geschäftsstelle abgegeben werden können (§ 129a ZPO-E). Dies betrifft beispielsweise die Beantragung von Prozesskosten- oder Beratungshilfe sowie die Erhebung einer Klage beim Amtsgericht.
Über entsprechende Verweisungen sollen die geplanten Neuerungen auch bei den Arbeitsgerichten, den Verwaltungsgerichten und den Finanzgerichten zur Anwendung kommen; um den Besonderheiten des sozialgerichtlichen Verfahrens Rechnung zu tragen, sollen die neuen Regelungen hier aber nur zum Teil übernommen werden.
Der Entwurf ist derzeit an die Länder und Verbände zur Kenntnisnahme verschickt; diese haben bis Mitte Januar Gelegenheit zur Stellungnahme.
[Quelle: BMJ]