Ein bemerkenswerter Fall betraf den Biotechnologen B, der während seiner Tätigkeit in der Universitätsforschung ein Verfahren zur Herstellung von Peptiden entwickelte, das über die Universität patentiert wurde. Dabei wurde für B ein Erfinderanteil von 95 % und für seinen damaligen Kollegen G (Geschäftsführer der Klägerin) ein Anteil von 5 % angegeben. 2019 endete die Zusammenarbeit der beiden im Streit. Sowohl B als auch G gründeten jeweils eine GmbH zur Entwicklung und Herstellung von Peptiden. Im Juli 2021 veröffentlichte G für sein Unternehmen eine Pressemitteilung, dass die Investoren O, P und S mehrere Millionen EUR in sein Unternehmen für die Industrialisierung der Peptidproduktion investierten. Am 12.9.2021 lässt B über seinen Anwalt die Investoren O, S und P anschreiben, indem B die Rechte an der Technologie geltend macht. Sein Schreiben „weist darauf hin”, dass den Investoren Schadensersatzansprüche in Millionenhöhe drohen, da Bs Unternehmen bereits über die Kenntnisse der Industrialisierung verfüge. Die GmbH des G beantragte eine einstweilige Verfügung gegen B, die im Brief vom 12.9.2021 aufgestellten Behauptungen zu unterlassen. Dem wurde im Wesentlichen stattgegeben (LG München I, Urt. v. 10.11.2021 – 21 O 13540/21).
In der Entscheidung war weniger die Erfindersituation relevant, sondern vielmehr die Behauptung von B, sein Unternehmen verfüge bereits über die Kenntnisse der Industrialisierung von Peptidprodukten. Da B den Wahrheitsgehalt dieser Behauptung nicht belegen konnte, sah das Gericht darin im Kontext der Interpretation durch die adressierten Verkehrskreise eine unwahre, kreditschädigende Tatsachenbehauptung gem. § 4 Nr. 2 UWG. Es oblag B, den Wahrheitsgehalt seiner Behauptung glaubhaft zu machen. Der Anschein, den das Schreiben erweckte, B sei Inhaber aller Rechte, hält das Gericht, zum einen wegen dessen unsubstantiierten Vortrags für nicht erwiesen. B trägt zu also dick auf, wenn er sich aller Know-how-Rechte für die industrielle Herstellung berühmt, obwohl er (nur) einen 95%igen Erfinderanteil am Patent hält.
Im Übrigen drang B nicht mit dem Argument durch, der Brief sei als Privatperson versandt worden und daher keine geschäftliche Handlung i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG. Das Gericht folgte dem nicht, da B sich darin auf die Gründung seines eigenen Unternehmens bezog und er die Investoren eines Konkurrenten direkt angesprochen hat. Es sieht das Schreiben vom 12.9.2021 außerdem als wettbewerbswidrige Behinderungsmaßnahme gem. § 4 Nr. 4 UWG an. Denn es verfolgt gezielt den Zweck, G und sein Unternehmen als Mitbewerber in seiner Entfaltung zu hindern (vgl. BGH GRUR 2017, 92, 93), indem es die Investoren veranlassen sollte, sich nicht auf Auseinandersetzungen über vermeintliche Schutzrechtverletzungen einzulassen (BGH NJW-RR 2009, 1496, 1497). Das gelte umso mehr in einer frühen, risikoreichen Finanzierungsrunde für Start-ups: Ein Rückzug eines Investors in dieser Phase bedeute einen potenziell existenzvernichtenden Eingriff.
Hinweis:
Bei Start-ups gehen ehemalige Kollegen, Freunde, Gründer häufig mithilfe des Rechts gegeneinander vor. Juristische Auseinandersetzungen überdecken häufig persönliche Konflikte. Hier führen Konfliktlösungen etwa mithilfe der Mediation oft zu wirtschaftlich besseren Ergebnissen.