Der Deutsche Anwaltverein (DAV) hat der Koalition zur Mitte ihrer Amtszeit ein überwiegend gutes Zeugnis erteilt, wenn auch mit einigen Abstrichen. Sozusagen zum „Bergfest” könne den Regierungsparteien eine „2 Minus” gegeben werden, teilte die Anwaltsorganisation Anfang Dezember mit. Die Regierung habe sich mit dem Koalitionsvertrag ein umfangreiches und im Großen und Ganzen begrüßenswertes Arbeitsprogramm auferlegt, so der DAV. Viele Vorhaben seien bereits umgesetzt oder in die Wege geleitet worden, andere rutschten hingegen immer wieder von der Tagesordnung oder überzeugten in der Umsetzung nur bedingt. Zwei Jahre nach Dienstantritt sei nun Zeit für eine Bilanz, denn im Grunde verbleibe nur noch ein Jahr Zeit, etwas zu bewegen, bevor die Konzentration dann eher wieder dem Wahlkampf gelte.
Im Fokus der Anwälte stand naturgemäß das anwaltliche Berufsrecht. Hier begrüßte der DAV insb. die im Koalitionsvertrag vereinbarte Überprüfung des Fremdbesitzverbots. Diesbezüglich habe die „Ampel” den Berufsstand von Anfang an mit einbezogen. Die Herangehensweise, neben der Verbändeanhörung auch über eine Umfrage die Basis mitzunehmen, sei „wirklich gut”, lobte der DAV. Sorge gelte hingegen dem anwaltlichen Berufsgeheimnis. Dieses sei kein Privileg der Anwaltschaft, sondern Teil des effektiven Rechtsschutzes als Ausprägung des Fair-Trial-Prinzips. Hier mahnt der Verein die Regierung an, sich auch auf unionsrechtlicher Ebene verstärkt für die Geltung des Berufsgeheimnisträgerschutzes einzusetzen und einer weiteren Aushöhlung durch Informations- und Meldepflichten entschieden entgegenzutreten. Dies gelte insb. für die Bereiche der Geldwäsche und der Bekämpfung von Steuerhinterziehung und Steuergestaltung. Im Rahmen der Geldwäsche kritisiert der DAV die umfassenden Melde- und Informationspflichten sowie den damit verbundenen „Generalverdacht” gegen die Anwaltschaft. Die Anwaltschaft sei „kein Teil der organisierten Kriminalität”.
Mit Blick auf das Strafrecht lobt der DAV u.a. die geplante Entschlackung des StGB. Seit Kurzem gebe es hier zumindest ein erstes Eckpunktepapier, das überholte Tatbestände streichen, andere zu Ordnungswidrigkeiten herabstufen wolle (Anm. d. Red.: vgl. dazu auch ZAP 2023, 1188). Es sei richtig, jene Normen zu entfernen, die nicht mehr relevant seien oder deren Unrechtsgehalt überschaubar sei. Insofern sei es auch begrüßenswert, dass bislang keine überzogenen Strafverschärfungen stattgefunden hätten. Die in der letzten Legislaturperiode geschaffene viel kritisierte Verschärfung im Sexualstrafrecht sei auf dem besten Weg, rückgängig gemacht zu werden; hier sei der Referentenentwurf derzeit in der Verbändeanhörung. In Sachen Dokumentation der Hauptverhandlung spricht der DAV die Hoffnung aus, dass die Bundesländer ihre Skepsis überwinden und dem Vorhaben bald zustimmen werden (vgl. zu dem Thema auch unten „Brandbrief der BRAK an die Bundesländer”, S. 6).
Im Rahmen der familienrechtlichen Pläne der Koalition erwähnt der DAV insb. die Reform des Namensrechts. Diese sei inzwischen da, und zum dringend reformbedürftigen Unterhaltsrecht gebe es immerhin ein erstes Eckpunktepapier. Allerdings sei die zentrale Frage der Abstammung noch immer ungeklärt. Das Thema stehe „schon ewig auf der Agenda des BMJ”, falle aber „immer wieder hinten runter”, kritisiert der Verein. Es gehe dabei nicht nur um die Klärung der Abstammung von Kindern, die in eine Ehe gleichgeschlechtlicher Eltern geboren würden: Die Abstammung bestimme, „wer von wem was erwarten” könne, sei es beim Thema Elternschaft, beim Unterhalt oder auch bei erbrechtlichen Fragen. Hier brauche es endlich Klarheit und lebensnahe Regelungen.
Überwiegend Kritik gab es seitens der Anwälte am Migrationsrecht: Hier sei die Ampel „meist im Abwehrmodus”, kritisiert der DAV. Zwar werde das Fachkräfteeinwanderungsgesetz in Kürze in Kraft treten und das Staatsangehörigkeitsänderungsgesetz befinde sich im parlamentarischen Prozess. Dieser unbestreitbar große Schritt, um Menschen an Deutschland zu binden, werde aber leider auch durch unnötige Restriktionen getrübt, urteilt der Verein. So sei das Rückführungsverbesserungsgesetz ein bedauerliches Beispiel dafür, dass migrationspolitische Entscheidungen oft der „gesellschaftlichen Empörung” folgten.
[Quelle: DAV]