Mit einem Screenshot kann die technische Störung des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs (beA) glaubhaft gemacht werden. Dies hat kürzlich der Bundesgerichtshof entschieden (Beschl. v. 10.10.2023 – XI ZB 1/23, ZAP 2023, 1158). Die Anforderungen an die Glaubhaftmachung würden überspannt, wenn ein Gericht eine anwaltliche Versicherung fordere, obwohl der Rechtsanwalt bzw. die Rechtsanwältin einen entsprechenden Screenshot vorgelegt habe, befanden die Karlsruher Richter.
Der Fall: In einem Rechtsstreit um den Widerruf eines Verbraucherdarlehensvertrags hatte die Prozessbevollmächtigte des Klägers am Tag des Fristablaufs mehrere Schriftsätze nebst einem Screenshot per Telefax an das Berufungsgericht übermittelt. Mit einem dieser Schriftsätze teilte sie mit, dass aufgrund von Störungen derzeit überhaupt keine Verbindung zu dem besonderen elektronischen Anwaltspostfach aufgebaut werden könne. Auf der Internetseite der Bundesrechtsanwaltskammer sei angegeben, dass seit ca. 14.06 Uhr die beA-Webanwendung nicht zur Verfügung stehe und mit Hochdruck an der Störungsbeseitigung gearbeitet werde. Da aufgrund der Größe des Schriftsatzes ein weiteres Zuwarten nicht mehr angezeigt sei, werde der beigefügte Fristverlängerungsantrag per Telefax eingereicht. Am folgenden Tag – also nach Fristablauf – übermittelte sie die Schriftsätze nochmals per beA an das Berufungsgericht.
Dieses verwarf das eingelegte Rechtsmittel jedoch als unzulässig wegen Verfristung. Die per Fax eingereichten Schriftsätze hätten die Anforderungen an eine Ersatzeinreichung wegen vorübergehender technischer Unmöglichkeit nicht erfüllt. Die Richter verwiesen auf § 130d S. 3 ZPO, der bestimmt: „Die vorübergehende Unmöglichkeit ist bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen”. Für diese Glaubhaftmachung hätte es eine anwaltliche Versicherung und nicht nur einen Screenshot nebst Erklärung gebraucht.
Das sah der BGH anders: Das Berufungsgericht habe die sich aus § 130d S. 3 ZPO ergebenden Anforderungen an die Glaubhaftmachung einer auf technischen Gründen beruhenden vorübergehenden Unmöglichkeit der Übermittlung als elektronisches Dokument überspannt, indem es im vorliegenden Fall eine anwaltliche Versicherung des Scheiterns der Übermittlung für zwingend erforderlich erachtet habe, ohne den vorgelegten Screenshot zu berücksichtigen.
Denn die Vorlage dieses Screenshots, bei dem es sich um ein Augenscheinsobjekt i.S.v. § 371 Abs. 1 ZPO handele, sei im vorliegenden Fall geeignet gewesen, die behauptete Störung glaubhaft zu machen. Sein Inhalt stimme nämlich überein mit den Angaben in der beA-Störungsdokumentation auf der Internetseite der Bundesrechtsanwaltskammer und in dem Archiv der auf der Störungsseite des Serviceportals des beA-Anwendersupports veröffentlichten Meldungen für den fraglichen Zeitraum. Unter diesen Umständen könne dahinstehen, ob das Berufungsgericht die von der Prozessbevollmächtigten des Klägers geschilderte Störung angesichts der auf der Internetseite der Bundesrechtsanwaltskammer verfügbaren Informationen sogar als „offenkundig” (§ 291 ZPO) hätte behandeln können.
[Quelle: BGH]
ZAP F., S. 2–8