§ 826 BGB – sittenwidrige vorsätzliche Schädigung – könnte zugunsten des Antragsgegners greifen:
Zitat
Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet.
a) Schadenszufügung
Die Schadenszufügung in einer wider die guten Sitten verstoßenden Weise kann auch in der Erwirkung eines Vollstreckungsbescheids bei sittenwidrigen Verträgen vorliegen.
b) Anwendbarkeit des § 826 BGB
Vollstreckungsbescheide sind auch nach der Novelle vom 3.12.1976 uneingeschränkt der Rechtskraft fähig (BGH NJW 87, 3256; BGH WM 1990, 391). Soweit neben den grundsätzlichen Einwänden gegen die Heranziehung des § 826 BGB vorgebracht wird, Vollstreckungsbescheide seien wegen des Wegfalls der Schlüssigkeitsprüfung (ab dem Datum 3.12.1976) nicht (Köln NJW-RR 1986, 1494; NJW 1986, 1350) oder nur beschränkt der Rechtskraft fähig, steht dem der eindeutige Wille des Gesetzgebers entgegen (BGH NJW 1987, 3256).
Hinweis:
Damit kann der Kläger, soweit § 826 BGB eingreift, grundsätzlich die Unterlassung der Zwangsvollstreckung und/oder die Herausgabe des Titels verlangen (BGHZ 26, 388). Der Anspruch kann im Wege der Einrede geltend gemacht werden (BGHZ 42, 194).
c) Aber: Anwendungsbeschränkung des § 826 BGB
Die Anwendung von § 826 BGB ist allerdings auf besonders schwerwiegende, eng begrenzte Ausnahmefälle beschränkt, da anderenfalls die Rechtskraft ausgehöhlt, die Rechtssicherheit beeinträchtigt und der Rechtsfrieden in untragbarer Weise in Frage gestellt würde (BGH NJW 2006, 154).
Es müssen besondere Umstände hinzukommen, die das Verhalten des Schädigers als sittenwidrig erscheinen lassen (BGH NJW 1999, 1257), hierbei werden strenge Anforderungen an die Beweislast des Geschädigten gestellt. Die Rechtskraft muss nur dann zurücktreten, wenn es mit dem Gerechtigkeitsgedanken schlechthin unvereinbar wäre, dass der Gläubiger die formale Rechtsstellung unter Missachtung der materiellen Rechtslage zulasten des Schuldners ausnutzt (BGH NJW 2005, 2991). Allein die Wahl des Mahnverfahrens reicht für eine sittenwidrige Erwirkung des Vollstreckungsbescheids nicht aus (BGH WM 1989, 169).
§ 826 BGB kann bei bloßer Ausnutzung eines unrichtigen Vollstreckungsbescheids über auch handgreiflich sittenwidrige Forderungen nur in Extremfällen anwendbar sein (BGH ZIP 1990, 1319; OLG Frankfurt NJW-RR 1996, 110). § 826 BGB greift nicht, wenn der Gläubiger zzt. des Vollstreckungsbescheidantrags nach dem Stand der höchstrichterlichen Rechtsprechung mit der Möglichkeit rechnen konnte, beim Vorgehen im Klagewege, ein Versäumnisurteil zu erwirken (BGH WM 1989, 169; BVerfG NJW 1993, 1125: Unverbindlichkeit des Anspruchs auf Provision für Partnerschaftsvermittlung).
aa) Fälle, in denen Rechte aus § 826 BGB entstehen
§ 826 greift allerdings ein, wenn der Gläubiger einen unrichtigen Vollstreckungsbescheid über einen Anspruch aus einem sittenwidrigen Vertrag erwirkt hat, obwohl er erkennen konnte, dass bei einer Geltendmachung im Klagewege bereits die gerichtliche Schlüssigkeitsprüfung nach dem Stand der Rechtsprechung im Zeitpunkt des Antrags auf Erlass des Vollstreckungsbescheids zu einer Ablehnung seines Klagbegehrens führen musste (BGH NJW 1987, 3256; BGH NJW 2002, 2940).
Beispiele:
So wurde als sittenwidrig erkannt:
- sittenwidrige Ratenkredite (BGHZ 80, 160; 128, 257);
- sittenwidrige Bürgschaft (BVerfG NJW 1994, 36; BGHZ 125, 206);
- unverbindliche Partnerschaftsvermittlung (LG Frankfurt/M. NJW-RR 1995, 634; vgl. aber BVerfG NJW 1993, 1125).
In der Rechtsprechung wird verlangt, dass die Durchbrechung der Rechtskraft nach einem Mahnverfahren durch § 826 BGB auf solche Fälle beschränkt wird, die eine klar umrissenen Typik aufweisen und in denen ein besonderes Schutzbedürfnis des Schuldners hervortritt (BGHZ 103, 44; BGH NJW 1998, 2818; BGH NJW 1999, 1257). Die Sittenwidrigkeit wurde in einem Fall judiziert, in dem der Sozialhilfeträger gegen einen Unterhaltsschuldner vorging und dieser seine Leistungsunfähigkeit wegen seiner Haft in der DDR nicht im Wege einer Abänderungsklage geltend machen konnte.
bb) Fälle, in denen keine Rechte aus § 826 BGB entstehen
- Einen einwandfrei erlangten Titel darf der Gläubiger trotz Kenntnis von dessen materieller Unrichtigkeit vollstrecken (BGH NJW 1987, 3256; BGH NJW 2002, 2940); das gilt auch für ein Versäumnisurteil (BGHZ 13, 71, 73) und daher auch für einen Vollstreckungsbescheid (vgl. aber LG Köln NJW 1991, 2427: Übersehen offensichtlicher und krasser Sittenwidrigkeit).
- Es reicht nicht, dass eine Bank aus einem sittenwidrigen Darlehensvertrag vollstreckt und damit sozusagen ein wucherisches Treiben fortsetzt (BGH NJW 1987, 3256).
- Per se genügt zur Anwendbarkeit des § 826 BGB nicht die Durchsetzung ohne Prüfung der materiellen Rechtslage durch einen Vollstreckungsbescheid (BGH NJW 87, 3256).
- Auch reicht allein die Inanspruchnahme des Mahnverfahrens zur Titulierung eines Anspruchs, dessen Unschlüssigkeit erkennbar gewesen wäre (BGH NJW 1999, 1257), nicht aus.