I. Einführung
Wird der Angeklagte zu einer Geldstrafe verurteilt, erfolgt die Bemessung der Tagessatzhöhe (mindestens ein und maximal dreißigtausend Euro, § 40 Abs. 2 S. 3 StGB) in einem zweiten Zumessungsschritt nach der Festsetzung der Tagessatzanzahl. Das Gericht bestimmt sie unter Berücksichtigung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten, § 40 Abs. 2 S. 1 StGB.
Starre Regeln gibt es hierbei nicht (BGHSt 27, 212). In der Rechtsprechung haben sich jedoch einige Grundsätze etabliert, aufgrund derer die Festsetzung üblicherweise vorgenommen wird. Ausschlaggebend sind dabei grundsätzlich allein die wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten. Allgemeine Strafzumessungsgesichtspunkte wie das Ausmaß der Schuld, das Vorleben des Angeklagten oder die Tatfolgen bleiben außen vor (Schönke/Schröder-Stree/Kinzig, StGB, 29. Aufl. 2014, § 40 Rn 6). Die Tagessatzhöhe darf daher nicht mit Vorstrafen, besonders hoher krimineller Energie oder mit dem Ausmaß der Tatfolgen begründet werden. Derartiges ist allein bei der Tagessatzanzahl zu berücksichtigen. Umgekehrt kann in Fällen geringer Schuld auch keine Absenkung erfolgen. Hier ist stattdessen neben einer niedrigen Tagessatzanzahl zu prüfen, ob eine Einstellung nach §§ 153, 153a StPO in Betracht kommt oder ob die Voraussetzungen für eine Verwarnung mit Strafvorbehalt, § 59 StGB, gegeben sind.
Hinweis:
Abzustellen ist grundsätzlich auf die wirtschaftlichen Verhältnisse zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung, nicht auf jene zum Zeitpunkt der Tat. Eine Ausnahme hiervon kommt allenfalls bei bereits sicher feststehenden Veränderungen der Einkommenslage in Betracht, etwa bei unmittelbar bevorstehender Beförderung oder Pensionierung (Schönke/Schröder-Stree/Kinzig, a.a.O., § 40 Rn 10).
In der Praxis werden die wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten insbesondere im Massengeschäft der Amtsgerichte oftmals nur oberflächlich geprüft. Häufig werden die in aller Regel zu niedrigen Angaben des Angeklagten ungeprüft hingenommen (Fischer, StGB, 64. Aufl. 2017, § 40 Rn 19), was aus Verteidigersicht dann keinen Anlass zum Tätigwerden gibt. Allerdings kann eine unzureichende Prüfung durchaus auch Nachteile für den Angeklagten mit sich bringen. So werden oftmals etwa Unterhaltspflichten, die bei der Beantragung/beim Erlass von Strafbefehlen häufig gar nicht bekannt sind, unzureichend oder überhaupt nicht berücksichtigt oder es wird (vor allem bei Selbstständigen) von zu hohen Einnahmen ausgegangen. Eine weitere häufige Fehlerquelle sind Schätzungen gem. § 40 Abs. 3 StGB, hier wird oftmals ohne hinreichende Tatsachengrundlage operiert oder die Schätzungsbefugnis wird gar dazu missbraucht, Druck auf den Angeklagten auszuüben.
Der Beitrag zeigt auf, welche Einkünfte bei der Bemessung der Tagessatzhöhe herangezogen werden können und welche Belastungen in Abzug zu bringen sind. Zudem werden die Voraussetzungen dargelegt, unter denen Abweichungen von der üblichen Berechnungsmethode angezeigt sind, und was das Gericht zu beachten hat, wenn es von der Schätzungsbefugnis Gebrauch machen will. Darüber hinaus werden mögliche Vorgehensweisen im Rechtsmittelverfahren erläutert.
II. Heranzuziehende Einkünfte
1. Nettoeinkommen
Grundlage der Bemessung der Tagessatzhöhe ist das dem Angeklagten zur Verfügung stehende Nettoeinkommen (Nettoeinkommensprinzip). Zur Ermittlung des durchschnittlichen Einkommens sind grundsätzlich rückblickend die Einkünfte für einen Zeitraum festzustellen, der das Durchschnittseinkommen erkennbar macht; hieraus ist das Tageseinkommen zu errechnen (Fischer, a.a.O., § 40 Rn 6a).
Der Einkommensbegriff ist ein strafrechtlicher, kein steuerrechtlicher. Heranzuziehen sind deshalb nicht etwa nur Einkünfte aus selbstständiger oder unselbstständiger Erwerbstätigkeit oder aus Vermietung und Verpachtung, sondern sämtliche Bezüge, die dem Angeklagten zufließen. Hier kommen u.a. Unterhaltszahlungen, Unterstützung durch die Eltern (etwa bei Studenten), Sachbezüge, der Mietwert des selbstgenutzten Eigenheims, BAföG, Kindergeld und Sozialleistungen, insbesondere Arbeitslosengeld I und II, in Betracht (Fischer, a.a.O., § 40 Rn 7). Relevant sind hierbei ausschließlich Zahlungen, die der Angeklagte für sich selbst erhält.
Hinweis:
Bei Arbeitslosen, Asylbewerbern und Sozialhilfeempfängern ist auf die gesamten Unterstützungsleistungen einschließlich etwaiger Sachleistungen wie Unterkunft, Verpflegung usw. abzustellen (Fischer, a.a.O., § 40 Rn 7). Bei Strafgefangenen hingegen bleiben die durch den unfreiwilligen Haftaufenthalt ersparten Aufwendungen für Kost und Logis außer Betracht (OLG Frankfurt StV 2015, 178; OLG Köln, Beschl. v. 22.1.2016 – 1 RVs 3/16).
Bei nicht berufstätigen verheirateten/verpartnerten Personen kommt es auf ihre Teilhabe am Familieneinkommen an. Relevant ist insoweit der tatsächlich gewährte Naturalunterhalt einschließlich eines etwaigen Taschengeldes (Fischer, a.a.O., § 40 Rn 9). Einkünfte des Ehegatten/des Lebenspartners können aber berücksichtigt werden, sofern dem Angeklagten hieraus Vorteile zufließen, d...