Wenn es nun um die Frage geht, wie Abhilfe für den hilfesuchenden Arbeitnehmer geschaffen werden kann, ist zunächst zu klären, ob die angenommene psychische Gefährdung sich aus einer Quelle ergibt, die für einen ganzen Bereich (z.B. eine Abteilung oder Arbeitsgruppe) oder speziell für den einzelnen Arbeitnehmer besteht. Geht es um eine grundsätzliche Gefährdung, die nicht lediglich auf den einzelnen Arbeitnehmer wirkt, kann sich ein Abhilfeanspruch aus §§ 3 Abs. 1, 5 Abs. 3 Nr. 6 ArbSchG i.V.m. § 618 Abs. 1 BGB ergeben. Hier liegt ein "Gruppenfall" vor, der sich durchaus auf die Gruppenmitglieder unterschiedlich auswirken kann. Die Gefährdung besteht aber für die gesamte Gruppe. Ist jedoch lediglich ein einzelner Arbeitnehmer betroffen und ergibt sich die Gefährdungssituation nicht aus der grundsätzlichen Organisationsstruktur oder den allgemeinen Anweisungen des Arbeitgebers, liegt ein "Einzelfall" vor. Hier findet sich z.B. die Problematik des Mobbing oder Bossing.
a) Anspruchsgrundlage im "Gruppenfall"
Auch unter dem Begriff "Gruppenfall" geht es um den einzelnen Arbeitnehmer, der jedoch als Teil einer Gruppe betroffen ist.
Beispiel aus der Praxis:
Ein "Gruppenfall" liegt vor, wenn in einem Bereich eines Großraumbüros z.B. eine offene Sammlung von Druckern für die ganze Etage aufgestellt würde, weil hier gerade Platz ist. Die in diesem Büro arbeitenden Mitarbeiter wären täglich ständigen Druckergeräuschen ausgesetzt, mit denen sie nichts zu tun hätten. Zudem wäre ein konzentriertes Arbeiten infolge des ständigen Hin- und Herlaufens von Kollegen aus anderen Büros, die ihre Ausdrucke abholen, kaum noch möglich.
Soweit feststeht, dass psychische Gefährdungen im Unternehmen bestehen, ist der Arbeitgeber verpflichtet, gem. § 3 Abs. 1 ArbSchG für Abhilfe zu sorgen. Der Schutzschirm des ArbSchG erstreckt sich auf die Umstände am Arbeitsplatz, unabhängig davon, welche bestimmten Arbeitnehmer diesen Arbeitsplatz besetzten. Die Formulierung des Gesetzes zeigt allerdings, dass der Arbeitgeber zum einen in der Wahl seiner Maßnahmen frei ist (BAG, Urt. v. 12.8.2008 – 9 AZR 1117/06) und zum anderen keine absolute Entfernung von Gefährdungen erwartet werden kann. Erwarten darf man allerdings, dass der Arbeitgeber Maßnahmen trifft, die grundsätzlich geeignet sind, die erkannte Gefährdung zu beseitigen oder jedenfalls massiv zu vermindern.
Hinweis:
Kann der Arbeitgeber diese Eignung der gewählten Maßnahme nicht schlüssig vortragen, verletzt er in der Konsequenz seine Arbeitsschutzpflichten.
b) Anspruchsgrundlage im "Einzelfall"
Der Einzelfall hat stets eine Anbindung an die persönliche Situation des betroffenen Arbeitnehmers, der z.B. gemobbt wird oder dessen Ausbildung und Schulung nicht mehr zum Einsatzgebiet passen. Hier ist gem. §§ 241 Abs. 2, 242, 618 Abs. 1 BGB auf allgemeine Grundsätze der arbeitgeberseitigen Schutzpflicht als Nebenpflicht aus dem Individualarbeitsvertrag abzustellen. Als Nebenpflicht zum Arbeitsvertrag hat der Arbeitgeber die Verpflichtung gegenüber dem Arbeitnehmer, diesen vor negativen Einflüssen zu schützen, die aus dem Bereich des Arbeitsverhältnisses oder des Arbeitsplatzes herrühren und jedenfalls nicht der eigentlichen Arbeitsverpflichtung aus dem Arbeitsverhältnis dienen. Nach der Rechtsprechung des BAG darf ein Arbeitnehmer mit der Beseitigung einer solchen Gefahrenquelle auch nicht abwarten, bis aus der Gefährdung eine akute Gefahr geworden ist, die sich jederzeit realisieren kann (BAG, Urt. v. 12.8.2008 – 9 AZR 1117/06, Rn 11). Die Art und Weise der Abhilfe bleibt auch hier dem Arbeitgeber im Rahmen eines nachvollziehbar sinnvollen Vorgehens allein vorbehalten.
c) Verpflichtungsklage vor dem Arbeitsgericht
Aufgrund der genannten Anspruchsgrundlagen für Einzel- oder Gruppenfälle lässt sich ein begründetes Abhilfeverlangen vor dem Arbeitsgericht mit Hilfe einer Verpflichtungsklage gegenüber dem Arbeitgeber grundsätzlich durchsetzen. Ein bestimmtes Abhilfevorgehen ist jedoch nicht durchsetzbar.