Mit Urteil vom 21.9.2017 (2 AZR 57/17, NZA 2017, 1524) hat der Zweite Senat des BAG erstmalig zur fristgebundenen Kündigungsschutzklage bei Arbeitnehmereigenkündigung und zum allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruch bei Arbeitnehmerkündigung entschieden.
Die Klägerin war bereits im Jahr 2013 wegen einer paranoiden Schizophrenie stationär behandelt worden. Mit Schreiben vom 6.3.2015 kündigte sie das Arbeitsverhältnis. Die Arbeitgeberin bestätigte am 9.3.2015 die fristgemäße Kündigung zum 30.9.2015 und stellte die Klägerin widerruflich bis zum Beendigungszeitpunkt bezahlt frei. Ab Ende Mai 2015 war die Klägerin erneut in stationärer Behandlung. Ende Juni wurde ihr eine Betreuerin u.a. zur Vermögenssorge und Vertretung vor Behörden und Gerichten bestellt. Die Beklagte informierte die Betreuerin mit Schreiben vom 25.8.2015 von der Kündigung. Mit Schreiben vom 1.9.2015 teilte die Betreuerin mit, dass die Klägerin bei Abfassung des Schreibens nicht geschäftsfähig war und bat das Kündigungsschreiben zu übersenden. Drei Tage nach Entlassung aus dem Krankenhaus, übersandte die Betreuerin am 9.9.2015 eine ärztliche Stellungnahme des Krankenhauses: "Wir gehen fest davon aus, dass zum Zeitpunkt der Kündigung krankheitsbedingt keine Geschäftsfähigkeit vorgelegen hat. (...) ist derzeit wieder geschäftsfähig und alsbald auch wieder arbeitsfähig." Am 11.9.2015 sandte die Arbeitgeberin eine Kopie des Kündigungsschreibens an die Betreuerin, welche auf die Unwirksamkeit der Kündigung nach § 105 Abs. 2 BGB hinwies und die Arbeitgeberin aufforderte, die Kündigung als gegenstandslos zu betrachten und den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses bis 15.10.2015 zu bestätigen. Mit der im Dezember 2015 erhobenen Klage begehrte die Klägerin wegen fehlender Geschäftsfähigkeit die Feststellung, dass ihr Arbeitsverhältnis nicht durch die von ihr am 6.3.2015 erklärte Kündigung beendet wurde. Ergänzend stellte sie einen sog. allgemeinen Feststellungsantrag. Die Beklagte trat dem Klagebegehren entgegen und berief sich darauf, dass die Klägerin (1) die Klagefrist nach § 4 S. 1 KSchG versäumt und (2) das Recht, sich auf die Unwirksamkeit der Kündigung zu berufen, verwirkt habe.
Das ArbG wies die Klage ab, das LAG gab ihr – unter Abweisung des sog. allgemeinen Feststellungsantrags – statt. Die Revision hatte im Sinne der Zurückverweisung Erfolg. Das LAG hat weitere Feststellungen zur Geschäftsunfähigkeit der Klägerin zu treffen.
Gegenstand einer Kündigungsschutzklage nach § 4 KSchG können im Wege der teleologischen Reduktion nur Arbeitgeberkündigungen sein. Weil eine eigene Willenserklärung in eigenem Namen vorliege und nicht in fremdem Namen, scheide auch eine Genehmigung nach § 177 Abs. 1 BGB aus und die Erklärung werde der beklagten Arbeitgeberin nicht zugerechnet. Der Standort des § 4 KSchG im Ersten Abschnitt des KSchG und das Merkmal "soziale Rechtfertigung" gelte nur für Arbeitgeberkündigungen. Auch der Sinn und Zweck des § 7 KSchG gelte nur für die Arbeitgeberkündigung. Zwar sei der Anwendungsbereich der §§ 4 S. 1, 7 S. 1 KSchG seit dem 1.1. 2004 auf alle Unwirksamkeitsgründe ausgeweitet worden, doch sei es bei der Klagerhebungsfrist ausschließlich bei der Kündigungsschutzklage gegen Arbeitgeberkündigungen geblieben. Sonst könnte der Arbeitnehmer einer eigenen rechtsunwirksamen ordentlichen oder außerordentlichen Kündigung – durch Nichtklagen – zur Wirksamkeit verhelfen. Dem steht auch der Sinn, die Wirksamkeit der Kündigung zugunsten des Arbeitgebers schnell zu klären nicht entgegen, wie der Vergleich mit der Anfechtung und der Aufhebungsvereinbarung zeige. Zuletzt scheide eine Analogie mangels planwidriger Lücke aus, wie der Sechste Senat zu § 111 ArbGG bei einem Ausbildungsverhältnis entschieden habe (vgl. BAG, Urt. v. 23.7.2015 – 6 AZR 490/14, NZA-RR 2015, 628).
Auch eine Verwirkung der Klage ist nicht eingetreten. Sie setzt zweierlei voraus: Ein Zeitmoment und ein Umstandsmoment. Dabei muss das Erfordernis des Vertrauensschutzes auf Seiten des Arbeitgebers das Interesse des klagenden Arbeitnehmers derart überwiegen, dass dem Arbeitgeber die Erfüllung des Anspruchs nicht mehr zuzumuten ist. Sowohl der Hinweis der Betreuerin vom 1.9.2015 als auch die Fristsetzung zum 15.10.2015 stehen dem schutzwürdigen Vertrauen der Arbeitgeberin entgegen.
Praxishinweise:
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Der Zweite Senat bejaht erstmalig einen Anspruch auf (vorläufige) Weiterbeschäftigung während des Kündigungsrechtsstreits auch bei Streit über die Wirksamkeit einer Eigenkündigung des Arbeitnehmers. Der allgemeine Weiterbeschäftigungsanspruch besteht unabhängig vom Kündigungsgrund. Entscheidend ist die besondere Interessenlage während des Streits über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses (BAG Großer Senat, Beschl. v. 27.2.1985 – GS 1/84, BAGE 48, 122 – C II 3 der Gründe). Für den Fall des Obsiegens des Arbeitnehmers gilt dies unabhängig davon, aufgrund welchen Beendigungstatbestands der Fortbestand streitig ist (für den Aufhebungsvertrag: BAG, Urt. v. 16.1.1992 – 2 AZR 412/91, NZA 1992... |