Anders als dem im Wege der Prozesskostenhilfe oder Verfahrenskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalt oder dem Beratungshilfe gewährenden Anwalt ist es dem Pflichtverteidiger nicht untersagt, mit seinem Mandanten eine Vergütungsvereinbarung zu treffen. Vor Kurzem hat der BGH (RVGreport 2019, 130 [Hansens] = NJW 2019, 676) in Änderung seiner bisherigen Rechtsprechung zu den Aufklärungspflichten des Pflichtverteidigers Stellung genommen.

 

Der Fall des BGH

Der Kläger hatte für die Wahrnehmung seiner Interessen im Ermittlungsverfahren und in dem vor dem LG Essen geführten Strafverfahren den Rechtsvorgänger der Beklagten, einen Rechtsanwalt, mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragt. Das LG Essen hat diesen Rechtsanwalt dem Kläger als Pflichtverteidiger bestellt. Kurze Zeit später schloss der Anwalt mit dem Kläger im Hinblick auf das laufende Strafverfahren eine Vergütungsvereinbarung, in der für die Tätigkeit im gesamten Ermittlungsverfahren und in der ersten Instanz ein Gesamthonorar von 12.500 EUR vereinbart wurde. Die Vergütungsvereinbarung enthielt den Hinweis, dass die Staatskasse im Falle der Kostenerstattung regelmäßig nicht mehr als die gesetzliche Vergütung erstatten müsse und dass die vereinbarte Vergütung deutlich höher sei. Die Vereinbarung enthielt keinen Hinweis darauf, dass der Anwalt als bestellter Pflichtverteidiger den Kläger auch ohne den Abschluss der Vergütungsvereinbarung weiter zu verteidigen hatte. Dieser Umstand war dem Kläger auch nicht bekannt. Der Kläger zahlte das vereinbarte Honorar an den Rechtsanwalt vollständig.

Nach Abschluss des Strafverfahrens hat der Kläger den Rechtsanwalt bzw. seinen Rechtsnachfolger auf Rückzahlung des gezahlten Honorars in Anspruch genommen, soweit es die nach dem RVG berechnete gesetzliche Vergütung übersteigt. Das LG Essen hat der Klage im Wesentlichen stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das OLG Hamm die Klage abgewiesen. Die zulässige Revision des Klägers hatte beim BGH Erfolg.

1. Zulässigkeit der Vergütungsvereinbarung

Der BGH hat zunächst auf seine Rechtsprechung verwiesen, wonach der gerichtlich zum Verteidiger bestellte Anwalt nicht gehindert ist, eine Honorarvereinbarung zu treffen (BGH AnwBl. 1980, 465). Die Vorschrift des § 3a Abs. 3 RVG, wonach Vereinbarungen mit dem im Wege der Prozesskostenhilfe/Verfahrenskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalt nichtig sind, greift nach Auffassung des BGH schon ihrem Wortlaut nach nicht. Ergänzend hat der BGH auch auf die Unterschiede zwischen der Prozesskostenhilfe und der Pflichtverteidigung gem. § 140 StPO hingewiesen. Die Beiordnung eines Pflichtverteidigers sei im Unterschied zur Prozesskostenhilfe nicht von den finanziellen Verhältnissen des Beschuldigten abhängig. Außerdem könne der Pflichtverteidiger unter den Voraussetzungen des § 52 Abs. 2 S. 1 RVG die Gebühren eines Wahlverteidigers verlangen.

2. Vergütungsvereinbarung wirksam

Sodann hat der BGH festgestellt, dass die zwischen den Parteien getroffene Vergütungsvereinbarung nicht gem. § 138 BGB nichtig sei. Die Nichtigkeit folge auch nicht daraus, dass die Vereinbarung keinen Hinweis darauf enthalte, dass der zum Pflichtverteidiger bestellte Anwalt den Mandanten auch ohne den Abschluss der Vergütungsvereinbarung weiter zu verteidigen habe. Der Hinweispflicht aus § 3a Abs. 2 S. 3 RVG, wonach der Mandant eine höhere als die gesetzliche Vergütung im Falle der Erstattungspflicht der Staatskasse selbst zu tragen hat, war der Rechtsanwalt hier nachgekommen.

Eine Unwirksamkeit der Honorarvereinbarung ergibt sich nach Auffassung des BGH auch nicht aus weiteren Umständen des Falls. Der III. Zivilsenat des BGH (AnwBl. 1980, 465) hatte allerdings die Auffassung vertreten, für die Wirksamkeit einer Vergütungsvereinbarung zwischen einem Pflichtverteidiger und dem Beschuldigten sei die Freiwilligkeit des Vertragsschlusses Voraussetzung. Diese Freiwilligkeit setze u.a. eine Kenntnis des Mandanten davon voraus, dass der Pflichtverteidiger seine Vergütung von der Staatskasse erhalte und er zur Führung der Verteidigung kraft Gesetzes auch ohne Vergütung des Beschuldigten verpflichtet sei. An dieser Auffassung des III. Zivilsenat des BGH hat der nunmehr für Anwaltsvergütungen zuständige IX. Zivilsenat des BGH nicht mehr festgehalten.

3. Schadensersatz wegen vorvertraglicher Pflichtverletzung

Der von dem Kläger geltend gemachte Zahlungsanspruch kann nach Auffassung des BGH jedoch unter dem Aspekt einer vorvertraglichen Pflichtverletzung als Schadensersatzanspruch begründet sein. Der Rechtsanwalt sei nämlich seiner bereits vor Abschluss einer Vergütungsvereinbarung bestehenden dahingehenden Belehrungspflicht nicht nachgekommen, dass er auch ohne den Abschluss der Vergütungsvereinbarung zu weiterer Tätigkeit verpflichtet sei. Wenn der Rechtsanwalt dieser Verpflichtung nicht nachkomme, handelt er nach Auffassung des BGH pflichtwidrig. Denn der Beschuldigte, der mit dem für ihn bereits auf Antrag oder von Amts wegen bestellten Pflichtverteidigers eine Vergütungsvereinbarung abschließt, müsse die hierfür maßgeblichen Umstände kennen. Hierzu gehöre nicht nur die Aufklärung darüber, dass die vereinb...

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