Auch am häuslichen Arbeitsplatz sind Arbeitsschutzrechte zu beachten (vgl. Hidalgo a.a.O., 1449; Ricken a.a.O., 248 ff.). Nach § 3 Abs. 1 S. 1 ArbSchG ist der Arbeitgeber verpflichtet, im Homeoffice die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes unter Berücksichtigung der Umstände zu treffen, die die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten bei der Arbeit beeinflussen. Dabei hat er nach § 4 Nr. 1 ArbSchG die Arbeit u.a. so zu gestalten, dass eine Gefährdung für das Leben sowie die physische und psychische Gesundheit der Arbeitnehmer möglichst vermieden und die verbleibende Gefährdung möglichst gering gehalten wird. Auch muss der Arbeitgeber zahlreiche weitere Vorgaben konkretisierender Rechtsverordnungen – z.B. der Verordnung über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Verwendung von Arbeitsmitteln (BetrSichV), der Arbeitsstätten- (ArbStättV; hierzu Hidalgo a.a.O., 1449, 1450) oder der Bildschirmarbeitsverordnung (BildscharbV; hierzu Richter a.a.O., 142, 143) – berücksichtigen. Zur Ermittlung erforderlicher Maßnahmen des Arbeitsschutzes hat er gem. § 5 ArbSchG eine Gefährdungsbeurteilung durchzuführen (vgl. Isenhardt a.a.O., 1499, 1500), was in der Praxis oftmals nicht beachtet und umgesetzt wird.
Praxistipp:
Die Gefährdungsbeurteilung ist aktuell zu halten (vertiefend Hidalgo a.a.O., 1449, 1454 ff.). Entsprechend muss sich der Arbeitgeber in regelmäßigem Turnus erkundigen, ob sich Veränderungen am häuslichen Arbeitsplatz ergeben haben, die eine Neueinschätzung erfordern (vgl. BAG, Beschl. v. 13.8.2019 – 1 ABR 6/18, NZA 2019, 1717). Arbeitgeber sollten bei der Einführung von Homeoffice eine(n) konkrete(n) Fragebogen/Checkliste für ihre Arbeitnehmer:innen erstellen, um potenzielle Gefährdungen zu ermitteln und abzusichern (vgl. Bertram/Walk/Falder a.a.O., S. 27).
Ein Beschäftigter muss am häuslichen Arbeitsplatz nach § 15 Abs. 1 S. 1 ArbSchG gem. den Weisungen des Arbeitgebers für seine eigene Sicherheit und Gesundheit sorgen und die ihm zur Verfügung gestellten Arbeitsmittel nach § 15 Abs. 2 ArbSchG bestimmungsgemäß verwenden. Nach § 16 Abs. 2 S. 1 ArbSchG ist er verpflichtet, den Arbeitgeber bei der Erfüllung seiner Arbeitsschutzpflichten zu unterstützen. Hat der Arbeitgeber i.R. seiner Gestaltungsmacht alle Schutzmaßnahmen getroffen und dem Beschäftigten die nötigen Anweisungen erteilt, darf er davon ausgehen, dass der Arbeitsschutz am häuslichen Arbeitsplatz gewährleistet ist. Insbesondere besteht außer bei konkreten Anhaltspunkten zu Verstößen gegen Arbeitsschutzvorschriften keine Kontrollpflicht vor Ort (Isenhardt a.a.O., 1499, 1500).
Zur Unfallverhütung, Gewährleistung des technischen Arbeitsschutzes und zur Behandlung von Störfällen entspricht es üblichem Vorgehen des Arbeitgebers, sich Zutritts-/Zugangsrechte zum häuslichen Arbeitsplatz durch den Arbeitnehmer einräumen zu lassen (vgl. Bertram/Walk/Falder a.a.O., S. 30 f.; Hidalgo a.a.O., 1449, 1452 f.). Hierbei ist ggf. das Einverständnis von Mitbewohnern mit Blick auf das Grundrecht aus Art. 13 GG einzuholen. Üblicherweise wird vor dem Zutritt des Arbeitgebers eine vorherige Ankündigungsfrist vereinbart, damit sich die betroffenen Personen auf die Besichtigung angemessen einstellen können (kritisch und vertiefend Hidalgo a.a.O., 1449, 1452). Gleichermaßen ist es denkbar, das Recht zum Zutritt i.S.d. Verhältnismäßigkeit auf besondere Anlässe – etwa bei Einrichtung des Arbeitsplatzes, bei Störfällen oder auf regelmäßige Kontrollen in nicht zu kurzen Abständen (z.B. einmal halbjährlich) – zu beschränken (Bertram/Walk/Falder a.a.O., S. 31).
Um einer Entgrenzung von Arbeit entgegenzuwirken und die Einhaltung des Arbeitsschutzes sicherzustellen, bedarf es im Homeoffice einer konsequenten Abgrenzung von Arbeit zur Freizeit/Privatsphäre, eines guten, praktikablen Arbeits- und Gesundheitsschutzes mit entsprechenden Unterweisungen des Arbeitnehmers nach § 12 ArbSchG, § 6 ArbStättV zur Sensibilisierung (hierzu Bertram/Walk/Falder a.a.O., S. 27 f.; Hidalgo a.a.O., 1449, 1454; Krieger/Rudnik/Povedano Peramato a.a.O., 473, 479 f.) sowie eines konsequenten Selbstmanagements des Arbeitnehmers. Neben einer entsprechenden Arbeitsdisziplin und Eigenverantwortung des Arbeitnehmers bedarf es insoweit v.a. der oben geschilderten umfassenden und ordnungsgemäßen Arbeitszeiterfassung, i.R.d. gesetzlichen Arbeitszeitschutzes (zur Überwachung der Arbeitszeit im Homeoffice von Steinau-Steinrück, NJW-Spezial 2018, 754).
Hinweis:
Aktuelle Rechtsprechungsänderung – BSG 8.12.2021
Ein Beschäftigter, der auf dem morgendlichen erstmaligen Weg vom Bett in sein Homeoffice stürzt, ist durch die gesetzliche Unfallversicherung geschützt (BSG, Urt. v. 8.12.2021 – B 2 U 4/21 R, juris; in Abkehr zu BSG, Urt. v. 5.7.2016 – B 2 U 5/15 R, NJW 2017, 508). Diese Rechtsprechung steht mit der Neuregelung des Unfallversicherungsschutzes im Homeoffice im Jahr 2021 (vgl. Bertram/Walk/Falder a.a.O., S. 28 f.; Müller ArbRAktuell 2021, 408, 437, 438; Ders. NZS 2019, 177) im Einklang, die sicherstellt, da...