Grundsätzlich kann der Betriebsrat bei jeder Betriebsänderung i.S.d. §§ 111 ff. BetrVG einen Sozialplan verlangen, also erzwingen. Es handelt sich hierbei um ein sog. echtes Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats.
Hinweis:
Ein Interessenausgleich muss hingegen zwischen den Betriebsparteien nur – wenn auch bis in die Einigungsstelle – versucht werden.
Kommt eine Einigung über den Sozialplan nicht zustande, so entscheidet gem. § 112 Abs. 4 BetrVG die Einigungsstelle über die Aufstellung des Sozialplans durch einen Spruch.
Hinweis:
Die Einigungsstelle fasst ihre Beschlüsse gem. § 76 Abs. 5 S. 3 BetrVG grds. unter angemessener Berücksichtigung der Belange des Betriebs und der betroffenen Arbeitnehmer nach billigem Ermessen. Dabei hat sie sowohl die sozialen Belange der betroffenen Arbeitnehmer zu berücksichtigen als auch auf die wirtschaftliche Vertretbarkeit ihrer Entscheidung für das Unternehmen zu achten (§ 112 Abs. 5 S. 1 BetrVG).
Neben dem Bestehen eines Betriebsrats besteht eine Sozialplanpflicht nur bei Betrieben mit mehr als 20 Arbeitnehmern. Dabei ist die Gesamtzahl der (wahlberechtigten) Arbeitnehmer im Unternehmen entscheidend. Ob es sich um Teilzeit- oder Vollzeitarbeitnehmer handelt, ist unerheblich. Regelmäßig mitzuzählen sind daher Teilzeitbeschäftigte, befristet beschäftigte Arbeitnehmer und auch Leiharbeitnehmer.
Zudem muss eine Betriebsänderung i.S.d. § 111 BetrVG vorliegen. Als Betriebsänderung gelten danach insb.:
- eine Einschränkung und Stilllegung des ganzen Betriebs oder von wesentlichen Betriebsteilen,
- eine räumliche Verlegung des ganzen Betriebs oder von wesentlichen Betriebsteilen,
- der Zusammenschluss mit anderen Betrieben oder die Spaltung von Betrieben,
- grundlegende Änderungen der Betriebsorganisation, des Betriebszwecks oder der Betriebsanlagen,
- die Einführung grundlegend neuer Arbeitsmethoden und Fertigungsverfahren.
Besteht die geplante Betriebsänderung ausschließlich in dem Abbau von Personal, ist ein Sozialplan nur erzwingbar, wenn bei der Anzahl der zu entlassenden Arbeitnehmer bestimmte Schwellenwerte überschritten sind (§ 112a Abs. 1 BetrVG).
Die zu erreichenden Schwellenwerte ergeben sich aus der folgenden Tabelle:
Arbeitnehmer im Betrieb |
Arbeitnehmer im Betrieb |
bis 59 |
20 %, aber mind. 6 |
60 bis 249 |
20 % oder mind. 37 |
250 bis 499 |
15 % oder mind. 60 |
ab mind. 500 |
10 %, aber mind. 60 Arbeitnehmer |
Der Begriff der Entlassung ist in § 112a Abs. 1 S. 2 BetrVG definiert. Demnach werden bei der Ermittlung der Anzahl der zu entlassenden Arbeitnehmer auch von dem Arbeitgeber aus Gründen der Betriebsänderung veranlasste Aufhebungsverträge erfasst. Ebenfalls erfasst werden auch entsprechend veranlasste Eigenkündigungen der Arbeitnehmer. Im Umkehrschluss folgt aus diesen Regelungen, dass personenbedingte und verhaltensbedingte Kündigungen jeder Art ebenso nicht mitzählen wie entsprechende Aufhebungsverträge.
Zudem ist es nicht erforderlich, dass die Arbeitnehmer innerhalb eines bestimmten Zeitraums (z.B. innerhalb von 30 Tagen) entlassen werden. Bei der Beantwortung der Frage, ob der maßgebliche Schwellenwert überschritten ist, sind sämtliche Arbeitnehmer mitzuzählen, die aufgrund einer einheitlichen unternehmerischen Planung des Arbeitgebers entlassen werden (BAG, Beschl. v. 28.3.2006 – 1 ABR 5/05, NZA 2006, 932).
Hinweis:
Bei verschiedenen Entlassungswellen werden folglich die Zahlen der zu entlassenden Arbeitnehmer addiert, wenn die Personalmaßnahmen auf einer einheitlichen Planungsentscheidung des Arbeitgebers beruhen. Dabei kann ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen mehreren Entlassungswellen ein wesentliches Indiz für eine von Anfang an einheitliche Planung sein (BAG, Beschl. v. 28.3.2006 – 1 ABR 5/05, NZA 2006, 932). Eine Umgehung der Pflicht zum Abschluss eines Sozialplans in Form einer „Salamitaktik” ist so nicht möglich.
Eine Verpflichtung zum Abschluss eines Sozialplans besteht nicht, wenn die Betriebsänderung nicht mit wirtschaftlichen Nachteilen verbunden ist. Dies ist etwa dann der Fall, wenn Betriebsteile ausgegliedert und im Wege eines Betriebsteilübergangs gem. § 613a BGB auf ein anderes Unternehmen übertragen werden. Behalten die hiervon betroffenen Arbeitnehmer ihre Arbeitsplätze letztlich unverändert und ohne örtliche Veränderung, sodass noch nicht einmal eine verlängerte Fahrtstrecke auszugleichen wäre, besteht für den Abschluss eines Sozialplans kein Raum.
Hinweis:
Bei neu gegründeten Unternehmen besteht eine Ausnahme der Erzwingbarkeit der Sozialplanpflicht. Nach § 112a Abs. 2 BetrVG besteht innerhalb der ersten vier Jahre nach ihrer Gründung für Unternehmen keine erzwingbare Pflicht zum Abschluss von Sozialplänen. Die neugegründeten Unternehmen sollen damit Gelegenheit haben, sich im Markt zu etablieren sowie ihre Struktur zu finden und zu festigen.