Die wohl häufigste Anlasstat für eine vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis ist die Trunkenheit im Verkehr. Die Verteidigung gestaltet sich hier oftmals schwierig, vor allem wenn der Beschuldigte, wie häufig, im öffentlichen Verkehrsraum im Rahmen einer Verkehrskontrolle von der Polizei angehalten und die Alkoholisierung durch eine Blutprobe festgestellt ist.
aa) Richtervorbehalt
§ 81a Abs. 1 S. 2 StPO verlangt für die Blutentnahme einer Blutprobe eine richterliche Anordnung. Eine Anordnung durch die Staatsanwaltschaft (StA) oder die Polizei ist nur bei Gefährdung des Untersuchungserfolges durch Verzögerung (= "Gefahr im Verzug") zulässig. Die Strafverfolgungsbehörden sind deshalb grundsätzlich verpflichtet, zunächst die Einholung einer richterlichen Entscheidung zu versuchen, ehe sie selbst die Blutprobe anordnen. Dies gilt jedoch nicht, wenn – etwa zur Nachtzeit – ein richterlicher Bereitschaftsdienst nicht eingerichtet ist (vgl. BVerfG StraFo 2011, 145).
Hinweis:
Lehnt der Richter, etwa im nächtlichen Bereitschaftsdienst, die telefonisch beantragte Blutentnahme ausschließlich mit der Begründung ab, er könne ohne die Vorlage schriftlicher Unterlagen nicht entscheiden, führt dies nicht zur Unzulässigkeit der Blutentnahme. Stattdessen lebt dann die subsidiäre Anordnungskompetenz der StA wieder auf (BGH NStZ 2006, 114).
Entbehrlich ist eine richterliche Anordnung auch, wenn der Beschuldigte sein (nicht notwendig schriftliches, KG NStZ-RR 2015, 25) Einverständnis mit der Blutentnahme erklärt hat. Wirksam ist eine solche Einwilligung allerdings nur, wenn der Beschuldigte sich seines Rechts bewusst war, eine freiwillige Blutprobe zu verweigern. Hieran kann es fehlen, wenn das Recht, das Einverständnis zu verweigern, in unzulässiger Weise eingeschränkt wird, etwa indem dem Beschuldigten von der Polizei der Eindruck vermittelt wird, er habe keine andere Wahl als einzuwilligen, weil ansonsten eben von "Gefahr im Verzug" ausgegangen werde oder die Einholung einer richterlichen Anordnung "reine Formsache" sei und man sie "sowieso bekomme".
Als weitere Wirksamkeitsvoraussetzung muss bei dem Beschuldigten die erforderliche Einwilligungsfähigkeit vorgelegen haben. Diese kann bei erheblicher Alkoholisierung fraglich sein, insbesondere wenn die Blutalkoholkonzentration (BAK) ein Ausmaß erreicht, das zu einer Prüfung der §§ 20, 21 StGB Anlass gibt.
Hinweis:
Ein Grundsatz dahingehend, dass ab einer bestimmten BAK von einer nicht mehr vorhandenen Einwilligungsfähigkeit auszugehen ist, wird jedoch von der Rechtsprechung nicht anerkannt (OLG Hamm NJW-Spezial 2011, 203). Es sei möglich, dass auch der stark alkoholisierte Beschuldigte Sinn und Tragweite der Einwilligung erkennt. Dies wird häufig bei stark alkoholgewöhnten Personen der Fall sein, die auch bei einer hohen BAK in aller Regel keine Ausfallerscheinungen zeigen.
Zu der Frage, wann "Gefahr im Verzug" vorliegt, ist eine mittlerweile kaum noch überschaubare und im Rahmen dieses Beitrags auch nicht darstellbare Fülle an Rechtsprechung ergangen (Einzelfälle bei Burhoff, Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, 7. Aufl. 2015, Rn 1179–1185).
Stets erforderlich ist eine einzelfallbezogene und aktenkundig zu machende Prognoseentscheidung über das Ausmaß der mutmaßlich drohenden zeitlichen Verzögerung (OLG Bamberg NJW 2009, 2146). Ist aus den Akten nicht ersichtlich, dass versucht wurde, eine richterliche Entscheidung herbeizuführen, spricht dies dafür, dass sich die Polizeibeamten des Richtervorbehalts überhaupt nicht bewusst waren (Burhoff, a.a.O., Rn 1179).
Nicht verkannt werden darf jedoch, dass dem Beschuldigten mit der Erkenntnis, dass zu Unrecht "Gefahr im Verzug" angenommen wurde, noch nicht geholfen ist. Vielmehr ist im nächsten Schritt zu prüfen, ob die fehlerhafte Annahme zu einem Beweisverwertungsverbot führt.
Hinweis:
Der Umstand, dass den Ermittlungsbehörden bei der rechtlichen Bewertung insoweit Fehler unterlaufen sind, führt alleine noch nicht zu einem Beweisverwertungsverbot. Dies gilt nach der Rechtsprechung sogar dann, wenn die an sich gebotene Dokumentation der für die Bewertung maßgeblichen Umstände komplett unterbleibt (BVerfG StraFo 2011, 145; KG NStZ-RR 2015, 25).
Vielmehr geht die Rechtsprechung davon aus, dass ein Beweisverwertungsverbot nur bei Willkür in Betracht kommt. Willkürliches Handeln liegt etwa vor, wenn der Richtervorbehalt bewusst umgangen oder zumindest grob verkannt wird, wobei dies nicht zwingend auf ein persönliches Fehlverhalten des handelnden Polizeibeamten zurückzuführen sein muss. Auch eine Dienstanweisung übergeordneter Behörden, wonach stets von Gefahr im Verzug auszugehen sei, kann Willkür begründen (OLG Brandenburg zfs 2010, 587). Ebenfalls willkürlich ist die Berufung auf eine "gängige Praxis" (OLG Dresden NJW 2009, 2149; OLG Hamm StV 2009, 459).
Hinweis:
Es gilt die Widerspruchslösung. Der Verteidiger muss mithin bis spätestens zu dem in § 257 StPO genannten Zeitpunkt der Verlesung des Blutalkoholgutachtens und dessen Verwertung widerspreche...