Seit dem 1.7.2018 gelten die neuen §§ 651a ff. BGB. Mit diesen wurde die EU-Richtlinie 2015/2302 des Europäischen Parlaments und des EU-Rates vom 25.11.2015 über Pauschalreisen und verbundene Reiseleistungen zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 umgesetzt. Zentrale Vorschrift ist § 651a BGB, der in Abs. 2 die Pauschalreise als eine Gesamtheit von mindestens zwei Reiseleistungen für den Zweck derselben Reise definiert. Typischerweise bestehen diese Leistungen aus der Beförderung der Reisekunden mit dem Flugzeug in das Urlaubszielgebiet und der entsprechenden Unterbringung im Club, Hotel oder auf einem Schiff.
Was kann der Verbraucher unternehmen, wenn ihm wegen der Corona-Pandemie die Einreise in das betreffende Urlaubsland verweigert wird und/oder das Auswärtige Amt eine sog. Reisewarnung herausgegeben hat?
a) Normalfall/Rücktritt
Grundsätzlich kann der Reisende vor Beginn der Reise jederzeit den Rücktritt vom Vertrag erklären (§ 651h Abs. 1 BGB). Der Rücktritt löst normalerweise einen Entschädigungsanspruch für den Reiseveranstalter aus. Dieser kann dann eine sog. Stornopauschale verlangen oder eine konkrete Entschädigung berechnen. Diese ist vom Reisepreis in Abzug zu bringen, der Rest dem Kunden auszuzahlen.
Aber: § 651h Abs. 3 BGB befreit den Pauschalreisenden unter bestimmten Voraussetzungen von dieser Pflicht der Entschädigung. Diese Bedingungen liegen vor, wenn die Durchführung der Reise durch unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände erschwert oder die Beförderung der Personen zum Bestimmungsort erheblich beeinträchtigt wird.
Hinweis:
Der Begriff "unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände" hat den Begriff der "höheren Gewalt" aus § 651j BGB a.F. abgelöst.
Umstände sind unvermeidbar und außergewöhnlich, wenn sie
- nicht von der Partei, die sich darauf beruft, kontrolliert werden können und
- sich die Folgen trotz aller zumutbaren Vorkehrungen nicht vermeiden lassen.
Epidemien und Pandemien mit lebensbedrohlichen Viren gehören mit Sicherheit dazu. Diese sind von niemandem zu beherrschen, und eine Beherrschbarkeit ist derzeit bei der Coronakrise noch lange nicht in Sicht. Die betroffenen Länder bemühen sich um die Eindämmung der Infizierung ihrer Bevölkerungen. Auch der Reisende hat keinen Einfluss darauf, wie sich das Virus verhält.
Da der reisende Pauschalurlauber selbst keine Maßnahmen ergreifen kann, um die reiserelevanten Folgen der Pandemie (z.B. Schließung der Grenze im Urlaubsland) zu verhindern, liegen die Voraussetzungen für den kostenfreien Rücktritt von der gebuchten Pauschalreise vor. Ein starkes Indiz für die Gefahrenlage durch eine Epidemie oder Pandemie sind Reisewarnungen des Auswärtigen Amts. Es ist davon auszugehen, dass die Gerichte dem Kunden ein kostenfreies Rücktrittsrecht zubilligen werden, soweit eine solche Reisewarnung vorliegt.
b) (Zeitlich befristete) Reisewarnung
Problematisch wird es, wenn die Reisewarnung zeitlich befristet ist. Denn theoretisch könnte zu einem späteren Zeitpunkt, also nach Ablauf der Befristung, die Reise in das betroffene Land wieder möglich sein.
Hier eine treffsichere Prognose zu wagen, ist schwierig – zumal verständlicherweise die Reiseveranstalter Rücktrittserklärungen der Kunden mit damit verbundenen Rückzahlungsverpflichtungen für die Veranstalter vermeiden wollen.
Demgegenüber haben aber die Kunden ein Interesse daran, Sicherheit zu haben, ob eine Reise vollständig durchgeführt werden kann oder nicht. Da vorläufig nicht von einem Rückgang der Ansteckungsfälle bzw. einem nahen Ende der Ausbreitung des Virus auszugehen ist, erschiene es pragmatisch und folgerichtig, wenn das Auswärtige Amt die derzeitige weltweite Reisewarnung entfristen würde. Wahrscheinlicher ist es aber, dass diese immer wieder zeitlich verlängert wird.
Im Fall der Entfristung wäre zumindest für den Pauschalreisenden eine rechtssichere Möglichkeit gegeben, sich von dem Reisevorhaben zu lösen. Zwingend erforderlich für den Rücktritt ist die Warnung allerdings nicht. Denn die Reisewarnung ist eine Warnung und kein Verbot zu reisen!
Hinweis:
Fällt die Rücktrittserklärung des Kunden in den zeitlichen Bereich einer Reisewarnung für das betroffene Zielland und/oder erklärt der Reiseveranstalter, keine Reise mehr durchzuführen, muss der Kunde auch den restlichen Reisepreis neben der Anzahlung nicht mehr leisten, weil der Reiseveranstalter ohnehin verpflichtet wäre, den Betrag zu erstatten.
Erklärt der Kunde den Rücktritt, hat der Reiseveranstalter den Reisepreis bzw. die Anzahlung innerhalb von 14 Tagen zu erstatten.
c) Kündigung neben dem Rücktritt
Diskutiert wird zurzeit, ob dem Kunden neben dem Rücktrittsrecht auch ein Kündigungsrecht nach § 651l Abs. 1 BGB vor Reisebeginn zusteht. In diesem Fall müssten bereits vor Reiseantritt erhebliche Mängel bekannt sein, die die Durchführung der Reise beeinträchtigen würden. Derzeit wird man davon ausgehen müssen, dass Reisen in sämtliche Länder der Welt gar nicht oder nur unter sehr erschwerten Bedingungen (Eigenquarantäne, Gesundheitsattest etc.) möglich sind.
Der Kunde muss dann im Normalfall unter Fristsetzung den Reiseveranstalter auffordern...