Zwar kann bereits jede lenkende Ausschlagung auch als selektive Ausschlagung verstanden werden, da in der Gesamtbetrachtung immer selektiv – sei es hinsichtlich der Berufung als testamentarischer Erbe, um eine gesetzliche Erbenstellung zu erlangen, sei es hinsichtlich der Ausschlagung einzelner Personen zugunsten anderer – ausgeschlagen wird, um die Erbschaft in eine bestimmte Richtung zu lenken (so etwa OLG Hamm 2018, a.a.O.; Grüneberg/Weidlich, § 1945 BGB Rn 6). Allerdings obliegt bei den hier verstandenen Fällen der selektiven Ausschlagung die Ausschlagungsentscheidung betreffend die einzelnen Minderjährigen den vertretungsberechtigten Eltern grds. selbst.
Nach vielfach vertretener Auffassung ist mangels vermutetem Interessengleichlaufs zwischen vertretungsberechtigten Eltern und von der Erbschaft ausgeschlossenem minderjährigen Kind in diesen Fällen regelmäßig eine teleologische Reduktion der Norm des § 1643 Abs. 3 S. 1 BGB angezeigt und eine familiengerichtliche Genehmigung der Ausschlagung erforderlich (MüKo-BGB/Huber, § 1643 Rn 14 m.w.N.; so auch noch OLG Hamm, Beschl. v. 13.12.2013 – 15 W 374/13, ZEV 2014, 248). Dem wird vermehrt entgegengehalten, dass neben dem klaren Gesetzeswortlaut, welcher für die Genehmigungspflicht an eine resultierende Miterbenstellung eines vertretungsberechtigten Elternteils anknüpft, es dem vertretungsberechtigten Elternteil unbenommen wäre, die Erbschaft für sich anzunehmen, um sie sodann lediglich einem Teil seiner minderjährigen Kinder zuzuwenden (eine andere Sachverhaltskonstellation zugrunde liegend OLG Hamm, 2018, a.a.O; Grüneberg/Weidlich, § 1945 Rn 6 m.w.N.; weitergehend Everts, MittBayNot 2023, 9).
Letztgenannte Auffassung überzeugt vor allem unter Berücksichtigung von Fallkonstellationen, in welchen die vertretungsberechtigten Eltern für das minderjährige Kind ausschlagen, das letztlich durch die Erbschaft begünstigte Kind aber bereits volljährig ist – eine Ausschlagung für dieses ungeachtet der elterlichen Willensrichtung durch die Eltern also gar nicht möglich wäre (so auch problematisierend Eue, a.a.O.). In dieser Konstellation besteht nach allgemeinen Grundsätzen eine Genehmigungspflicht nicht, wenngleich sich die Interessen von Eltern und minderjährigem Kind möglicherweise gleichsam diametral gegenüberstehen. Würde man dies anders sehen, hinge das Genehmigungserfordernis letztlich von einer Prüfung der Interessenlage im konkreten Fall ab – was der Rechtssicherheit evident widerspräche.
Der Gesetzgeber selbst hat auch im Zuge der Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts keine Veranlassung gesehen, die Frage der Genehmigungsbedürftigkeit lenkender und selektiver Ausschlagungen zu klären. Vielmehr hielt er diese Fälle als mit dem vorhandenen Regelwerk sachgerecht lösbar (BT-Drucks 19/24445, S. 481). Auch vor diesem Hintergrund erscheint es angezeigt, § 1643 Abs. 3 S. 1 BGB nur hinsichtlich solcher Fälle einschränkend auszulegen, bei welchen der Gesetzgeber selbst den Interessengleichlauf zwischen vertretungsberechtigten Eltern und minderjährigem Kind als wiederlegt angesehen hat – nämlich jene, welche letztlich die Begünstigung eines ausschlagenden Elternteils durch Erlangung einer Erbschaft zur Folge haben.