Eine mögliche Legalisierung und kontrollierte Abgabe von Cannabis ist unter Experten weiter heftig umstritten. Das zeigte sich bei einer öffentlichen Anhörung des Gesundheitsausschusses am 27. Juni in Berlin, in der es um entsprechende Anträge aus verschiedenen Bundestagsfraktionen ging.
Eine dieser Anträge sieht vor, Modellprojekte für den freien Cannabiskonsum zu ermöglichen. Das Ziel müsse sein, die Verbreitung von Cannabis zu kontrollieren und den Gesundheits- und Jugendschutz in der Bevölkerung zu verbessern. In einem anderen Vorschlag wird gefordert, von einer strafrechtlichen Verfolgung bei Volljährigen abzusehen, wenn es um bis zu 15 Gramm getrocknete Teile der Cannabispflanze oder äquivalente Mengen anderer Cannabiserzeugnisse oder bis zu drei Cannabispflanzen zum Eigenkonsum gehe. Zudem wäre eine staatlich kontrollierte Abgabe denkbar. Weitere Abgeordnete wollen erreichen, Cannabis aus den strafrechtlichen Regelungen des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) zu lösen. Stattdessen sollte ein kontrollierter legaler Markt für Cannabis mit einer staatlich regulierten Handelskette eröffnet werden. Der Verkauf an Minderjährige wäre verboten, eine Cannabissteuer würde eingeführt.
Der Wirtschaftswissenschaftler Justus Haucap argumentierte in der Anhörung, mit der Freigabe von Cannabis könne dem organisierten Verbrechen die Kontrolle über den Markt wirksam entzogen werden. So ließen sich Nutzer besser schützen, denn Cannabis sei heute auch für Jugendliche problemlos zu bekommen. Drogendealer hätten kein Interesse, Qualität zu verkaufen. Vielmehr würden den Drogen oft extrem schädigende zusätzliche Substanzen beigemischt. Zudem wollten die Dealer ihren Kunden tendenziell härtere Drogen verkaufen, weil dies den Profit steigere. Dies könne dazu führen, dass Konsumenten zu anderen Drogen verleitet würden. Positive Nebeneffekte einer Freigabe wären Steuereinnahmen und Arbeitsplätze.
Der Rechtsexperte Lorenz Böllinger führte an, dass Cannabis heute leichter, in größeren Mengen und billiger zu haben sei als früher. Der "Krieg gegen Drogen" sei gescheitert. Abschreckung und Prävention funktionierten nicht. Es sei somit ein Mythos, wonach das Betäubungsmittelgesetz die Volksgesundheit schütze. Vielmehr erzeuge das Gesetz erst den profitträchtigen Schwarzmarkt. Die Folge sei eine Kriminalisierung auch von Nichtkriminellen. Hinzu kämen Kosten in Milliardenhöhe für die Strafverfolgung. Er forderte, die gesetzgeberische und verfassungsrechtliche Legitimation des BtMG zu prüfen.
Gegen eine Freigabe von Cannabis sprach sich der Sachverständige Uwe Wicha, Leiter einer Klinik für Drogenrehabilitation, aus. Anhand des Beispiels Alkohol versuchte er zu verdeutlichen, was eine Freigabe bewirken würde. Beim Alkohol könne auch nicht von einem kontrollierten Markt und einer sinnvollen Prävention gesprochen werden. Jugendliche sähen in Alkohol schon deswegen kein Problem, weil er legal sei. Das werde bei Cannabis genauso sein. Auch ein Sprecher der Bundesärztekammer warnte vor der Verharmlosung dieses "hochkomplexen und hochproblematischen Stoffes", der in immer höherer THC-Konzentration verfügbar sei. Bei einer Freigabe würde es außerdem zu einer riskanten Vermischung des illegalen und legalen Marktes kommen.
Auch die Bundespsychotherapeutenkammer sieht Risiken. Sie verwies auf Wechselbeziehungen zwischen dem Cannabiskonsum und der Abhängigkeit von anderen Drogen wie Alkohol, Amphetaminen, Kokain und Nikotin.
[Quelle: Bundestag]