Der Obliegenheit, Steuervorteile, die in zumutbarer Weise erzielt werden können, auch wahrzunehmen (Teil I) entspricht spiegelbildlich das Verbot, durch eine missbräuchliche steuerliche Gestaltung dem anderen Beteiligten des Unterhaltsrechtsverhältnisses vermeidbaren Schaden zuzufügen. Dies gilt für den Unterhaltspflichtigen in gleicher Weise wie für den Unterhaltsberechtigten.
Eine solche missbräuchliche Gestaltung kann dann gegeben sein, wenn der Unterhaltspflichtige erneut verheiratet ist und in Absprache mit seinem neuen Ehegatten die schlechtere Steuerklasse 5 wählt mit der Folge eines niedrigeren Nettoeinkommens anstelle der Wahl der "neutralen" Steuerklasse 4.
1. Im Verhältnis zwischen den Ehegatten
Da die Wahl der Steuerklasse jeweils nur von beiden Ehegatten gemeinsam und einvernehmlich ausgeübt werden kann, stellt sich die Frage einer unterhaltsrechtlichen Obliegenheit zur Korrektur dieser getroffenen Wahl im Verhältnis zwischen den Ehegatten nur dann, wenn die Eheleute sich trennen und nachträglich einer von ihnen eine Änderung erreichen will. Jedoch kann diese einmal gemeinsam getroffene Festlegung nicht rückwirkend für Zeiträume geändert werden, in denen die Beteiligten noch zusammengelebt und gewirtschaftet haben. Der Ehegatte, der von dieser getroffenen Wahl profitiert, hat dabei nur für die anfallenden Mehrbeträge aufzukommen, nicht dagegen für die höhere Steuerbelastung des anderen Ehegatten aufgrund dessen Eingruppierung in eine ungünstigere Steuerklasse (BGH FamRZ 2002, 1024, 1026).
2. Im Verhältnis zu Unterhaltsansprüchen Dritter
Dagegen kann diese Frage im Verhältnis zu Dritten von Bedeutung sein, wenn also Unterhaltsansprüche Dritter betroffen sind.
Das können Unterhaltsansprüche folgender Drittpersonen sein:
- eines früheren Ehegatten gem. §§ 1569 ff. BGB. Beim Ehegattenunterhalt haben diese Überlegungen keine Bedeutung, soweit hier ohnehin für den Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten auf Seiten des unterhaltspflichtigen geschiedenen und erneut verheirateten Ehegatten hypothetisch Steuerklasse 1 zur Anwendung kommt (siehe Teil XVII),
- eines Kindes gem. § 1601 ff. BGB,
- eines Elternteils gem. § 1601 ff. BGB oder
- der nichtehelichen Mutter gem. § 1615l BGB.
Stellt man bei der Unterhaltsrechtsberechnung jeweils auf das aktuelle Einkommen des Unterhaltsschuldners ab, dann ergeben sich erhebliche Unterschiede, je nachdem, welche Steuerklasse der verheiratete Unterhaltsschuldner mit seinem jetzigen Ehegatten wählt.
Beispiel: Unterhaltsschuldner Steuerklasse 3, Ehegatte Steuerklasse 5
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3 zu 5 |
Bruttoeinkommen des Unterhaltsschuldners |
2.500,00 EUR |
Steuerbelastung nach Steuerklasse 3 |
76,50 EUR |
verbleibendes Einkommen |
2.423,50 EUR |
Bruttoeinkommen seines Ehegatten |
1.500,00 EUR |
Steuerbelastung nach Steuerklasse 5 |
234,41 EUR |
verbleibendes Einkommen |
1.265,59 EUR |
Gesamtsteuerbelastung der Familie |
310,91 EUR |
Beispiel: Unterhaltsschuldner Steuerklasse 5, Ehegatte Steuerklasse 3
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5 zu 3 |
Bruttoeinkommen des Unterhaltsschuldners |
2.500,00 EUR |
Steuerbelastung nach Steuerklasse 5 |
573,00 EUR |
verbleibendes Einkommen |
1.927,00 EUR |
Bruttoeinkommen seines Ehegatten |
1.500,00 EUR |
Steuerbelastung nach Steuerklasse 3 |
0,00 EUR |
verbleibendes Einkommen |
1.500,00 EUR |
Gesamtsteuerbelastung der Familie |
573,00 EUR |
Beispiel: Unterhaltsschuldner Steuerklasse 4, Ehegatte Steuerklasse 4
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4 zu 4 |
Bruttoeinkommen des Unterhaltsschuldners |
2.500,00 EUR |
Steuerbelastung nach Steuerklasse 3 |
298,91 EUR |
verbleibendes Einkommen |
2.201,09 EUR |
Bruttoeinkommen seines Ehegatten |
1.500,00 EUR |
Steuerbelastung nach Steuerklasse 5 |
71,33 EUR |
verbleibendes Einkommen |
1.428,67 EUR |
Gesamtsteuerbelastung der Familie |
370,24 EUR |
Die Wahl der – steuerrechtlich zulässigen – Steuerklassenkombinationen führt zu einer erheblichen Verschiebung innerhalb der neuen Familie. So verbleibt dem 2.500 EUR brutto verdienenden Unterhaltsschuldner (nur aufgrund der Lohnsteuerbelastung):
Variante Steuerklasse 3/5 |
2.423,50 EUR |
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Variante Steuerklasse 5/3 |
1.927,00 EUR |
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Variante Steuerklasse 4/4 |
2.201,09 EUR |
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Diese steuerlichen Differenzen ergäben beim Tabellenunterhalt eines Kindes schon Unterschiede von 1 bis 2 Tabellenstufen. Entscheidend ist, dass der Abzug über die Lohnsteuer immer nur eine Steuervorauszahlung ist. Die endgültige Steuerbelastung eines Steuerpflichtigen richtet sich nicht nach diesem vorläufigen Lohnsteuerabzug, sondern nach der Jahresbesteuerung. Bei zusammen veranlagten Ehegatten wird diese anhand der beiderseitigen Einkünfte errechnet nach dem Verhältnis der sich bei einer fiktiven getrennten Veranlagung (§ 26a EStG) ergebenden Beträge (§ 270 AO). Übersteigt daher die im Wege des Lohnsteuerabzugs einbehaltene Steuervorauszahlung die persönliche Steuerschuld, so liegt ein Missbrauch zulasten des Unterhaltsberechtigten vor, die dieser nicht hinnehmen muss. Es ist ein nach § 287 ZPO zu schätzenden Abschlag von der entrichteten Lohnsteuer vorzunehmen (BGH FamRZ 2004, 443 m. Anm. Schürmann, ebenso BGH FamRZ 1980, 984, 985; OLG Hamm FamRZ 2000, 311). In vereinfachter Form kann dann eine Korrektur durch eine Neuberechnung anhand des Lohnsteuera...