Begehrt ein Rechtsanwalt die Berufsunfähigkeitsrente gegenüber dem Versorgungswerk, müssen die Voraussetzungen der Anspruchsgrundlage für das Rentenbegehren gem. § 14 Abs. 1 S. 1 RVS vorliegen. Nach dieser Vorschrift erhält jedes Mitglied, das mindestens für einen Monat seine Beiträge geleistet hat und das infolge eines körperlichen Gebrechens oder wegen Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte zur Ausübung des Rechtsanwaltsberufs unfähig ist und deshalb seine berufliche Tätigkeit einstellt, auf Antrag eine Berufsunfähigkeitsrente, wenn die Berufsunfähigkeit länger als 90 Tage dauert.
Das OVG Lüneburg fordert in seinem Urteil vom 12.11.2020 (8 LB 97/19) für die Annahme der Einstellung der beruflichen Tätigkeit, dass die Ausübung der Tätigkeit als Rechtsanwalt im Rentenzeitraum vollständig und in nach außen manifestierter Weise aufgegeben wird. Ausübung des Rechtsanwaltsberufs sei auch die Selbstvertretung, soweit sie unter Hinweis auf die Eigenschaft als Rechtsanwalt erfolge. Es weist darauf hin, dass das Tatbestandsmerkmal der Einstellung der beruflichen Tätigkeit neben denjenigen der Berufsunfähigkeit und ihrer Dauer das versicherte Risiko konkretisiere. Die Berufsunfähigkeitsrente trete an die Stelle der üblicherweise von den Mitgliedern erzielten Einkünfte aus beruflicher Tätigkeit, solle derartige Einkünfte aber nicht ergänzen. Es bedürfe einen klaren Nachweis der Rentenvoraussetzung, der im einfachsten Fall durch den Verzicht auf die Zulassung als Rechtsanwalt erbracht werden könne.
Hinweis:
Das Tatbestandsmerkmal des Einstellens ist nicht bereits dann erfüllt, wenn tatsächlich im Rentenzeitraum keine Arbeitsleistungen erbracht wurden. Das gilt auch dann, wenn dieses schlichte Nicht-Arbeiten krankheits- oder behandlungsbedingt ist. Erforderlich ist, dass die Einstellung nach außen manifestiert wird (vgl. OVG NRW, Beschl. v. 10.1.2003 – 4 A 245/01, juris Rn 5; Urt. v. 14.7.2017 – 17 A 681/16, juris Rn 84).
Das OVG Lüneburg fordert, dass die Einstellung grds. jegliche berufliche Tätigkeit betreffen müsse. Ausnahmsweise möge es unschädlich sein, wenn nach einer nach außen manifestierten, zunächst vollständigen Einstellung später einige wenige, einmalig gebliebene Arbeitsleistungen erbracht würden, die lediglich versuchsweise bzw. aus Gefälligkeit vorgenommen würden. § 14 Abs. 1 S. 1 RVS fordere auch nicht, dass die Berufsunfähigkeit irreversibel sein müsse.
Hinweis:
An einer hinreichenden Manifestation einer Einstellung der beruflichen Tätigkeit fehlt es, wenn ein Vertreter bestellt wird oder für die Bestellung gesorgt wird.