Das Bundesjustizministerium der Justiz will für Zahlungsansprüche bis zu 8.000 EUR rein digital geführte Zivilverfahren erproben. Dazu hat es Mitte Juni den Referentenentwurf eines „Gesetzes zur Entwicklung und Erprobung eines Online-Verfahrens in der Zivilgerichtsbarkeit” vorgelegt. Das neue Verfahren soll es Bürgerinnen und Bürgern ermöglichen, ihre Ansprüche im Bereich niedriger Streitwerte in einem einfachen, nutzerfreundlichen, barrierefreien und digital unterstützten Gerichtsverfahren geltend zu machen. Zugleich soll das Online-Verfahren dazu beitragen, die Arbeit an den Gerichten durch eine strukturierte Erfassung des Prozessstoffs und technische Unterstützungswerkzeuge effizienter und moderner zu gestalten.
Für diese Erprobung und Evaluierung des Online-Verfahrens in der Praxis wird die Zivilprozessordnung um ein weiteres Buch ergänzt. Mit dem neuen 12. Buch der ZPO wird das Prozessrecht dann generell für eine Erprobungsgesetzgebung geöffnet und kann durch weitere Experimentierklauseln ergänzt werden. Im Einzelnen ist vorgesehen, dass Rechtsuchende bei der Erstellung einer Klage durch Anleitungen sowie Eingabe- und Abfragesysteme unterstützt werden. Dafür sollen zunächst weiterhin der elektronische Rechtsverkehr genutzt und mit der bestehenden Infrastruktur zum beA auch die Anwaltschaft in die Erprobung einbezogen werden. Anträge und Erklärungen können unmittelbar über eine neue Kommunikationsplattform abgegeben werden. Dabei sollen auch die gemeinsame Bearbeitung von Dokumenten durch die Parteien und das Gericht (z.B. bei Vergleichsabsprachen) sowie die Zustellung von Dokumenten über die Plattform ermöglicht werden. Die allgemeinen Verfahrensregeln der ZPO sollen durch Erprobungsregelungen modifiziert und ergänzt werden, insbesondere durch erweiterte Möglichkeiten eines Verfahrens ohne mündliche Verhandlung, eine Ausweitung von Videoverhandlungen und durch Erleichterungen im Beweisverfahren.
Bürgerinnen und Bürger können sich künftig mit nur wenigen Klicks an die Gerichte wenden, erläuterte Bundesjustizminister Marco Buschmann seine Pläne. Hierzu schaffe der Entwurf das Instrument eines „Reallabors für die Justiz”. Es sollen Testräume geschaffen werden, um neue Technologien unter realen Bedingungen zu erproben mit dem Ziel, Erkenntnisse für eine dauerhafte Regulierung zu gewinnen. Buschmann erklärte dazu: „Ich bin [...] zuversichtlich, dass wir das Verfahren in den nächsten Jahren so weiterentwickeln werden, dass es zum Standard im Zivilprozess wird.”
Die Erprobung des Online-Verfahrens ist auf einen Zeitraum von zehn Jahren angelegt. Um das Online-Verfahren weiterentwickeln zu können, sind nach vier und nach acht Jahren der Erprobung Evaluierungen vorgesehen.
[Quelle: BMJ]