Recht haben und Recht bekommen sind nach allgemeiner Lebenserfahrung zwei grundlegend verschiedene Dinge. Grund hierfür ist nicht zuletzt, dass man i.d.R. darlegen und beweisen muss, dass man Recht hat. Entsprechend ist die Frage, wer die Darlegungs- und Beweislast im Fall des Bestreitens trägt, im Kündigungsschutzprozess um eine betriebsbedingte Kündigung von grundsätzlicher Bedeutung. Dabei gelten u.a. folgende Regeln:
1. Beiderseitige Darlegungs- und Beweislast
Der Arbeitnehmer trägt vom Grundsatz her die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der Anwendbarkeit des KSchG (= Überschreiten des Schwellenwerts gem. § 23 KSchG, i.d.R. mehr als zehn Arbeitnehmer ausschließlich der Auszubildenden; vgl. LAG München, Urt. v. 1.3.2007 – 2 Sa 589/06, BeckRS 2007, 45470). In der Praxis kommt es jedoch zu einer abgestuften Darlegungs- und Beweislast: Zunächst muss der Arbeitnehmer (schlüssig) behaupten, dass in dem Betrieb i.d.R. mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt sind. Will der Arbeitgeber das bestreiten, muss er substantiiert zum Umfang und zur Struktur der in seinem Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer erwidern.
Dem Arbeitgeber obliegt die Darlegungs- und Beweislast für das die betriebsbedingte Kündigung rechtfertigende dringende betriebliche Erfordernis (vgl. BAG, Urt. v. 28.2.2023 – 2 AZR 227/22, NZA 2023, 578; vgl. Fuhlrott/Fabritius, NZA 2014, 122, 125 f.). Üblicherweise muss der Arbeitgeber dabei aufzeigen und ggf. beweisen, dass der Arbeitsplatz des Arbeitnehmers infolge der Umsetzung einer (freien) unternehmerischen Entscheidung dauerhaft ersatzlos entfallen ist (= Wegfall von Beschäftigungsbedarf; vgl. BAG, Urt. v. 1.6.2023 – 2 AZR 150/22, NZA 2023, 1396; BAG, Urt. v. 28.2.2023 – 2 AZR 227/22, NZA 2023, 578).
Im Prozess hat der Arbeitnehmer die Umstände darzulegen und ggf. zu beweisen, aus denen sich ergeben soll, dass die beschlossene Organisationsmaßnahme offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist. Trägt er entsprechende Indizien vor, ist in den Tatsacheninstanzen zunächst zu prüfen, ob diese in ihrer Gesamtschau, ggf. im Zusammenhang mit dem übrigen Prozessstoff, den Schluss darauf zulassen, dass die der Kündigung zugrunde liegende Maßnahme des Arbeitgebers die Grenzen der sich aus Art. 12, 14 und Art. 2 Abs. 1 GG geschützten unternehmerischen Freiheit überschreitet. In diesem Fall vermag die getroffene unternehmerische Entscheidung die erklärte Kündigung sozial nicht zu rechtfertigen. Hat der Arbeitnehmer den dafür notwendigen Vortrag gehalten, sind die von ihm angetretenen Beweise zu erheben, soweit der Arbeitgeber zuvor die Indiz-Tatsachen ausreichend bestritten hat (§ 138 ZPO), und die Ergebnisse der Beweisaufnahme unter Beachtung der den Arbeitnehmer treffenden objektiven Beweislast zu würdigen (§ 286 Abs. 1 ZPO). Bei alldem ist das Gericht grds. frei darin, welche Beweiskraft es den – unstreitigen oder bewiesenen – Indizien im Einzelnen und in der Gesamtschau für seine Überzeugungsbildung beimisst (vgl. BAG, 2023, a.a.O.; BAG, Urt. v. 18.6.2015 – 2 AZR 480/14, NZA 2015, 1315).
Anderweitige freie oder während der Kündigungsfrist frei werdende und vertragsgerechte Beschäftigungsmöglichkeiten, auch zu ggf. zumutbar geänderten Bedingungen (= Vorrang der Änderungskündigung), muss der Arbeitnehmer konkret benennen, woraufhin der Arbeitgeber seinerseits konkret erwidern und den Vortrag/die Behauptungen des Arbeitnehmers widerlegen muss. Hier gilt insoweit wieder eine gestufte Darlegungs- und Beweislast (vgl. BAG, Urt. v. 29.8.2013 – 2 AZR 809/12, NZA 2014, 730 m.w.N.).
2. Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG
Auch in Bezug auf die Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG greifen gestufte Darlegungs- und Beweislastgrundsätze (vgl. APS/Kiel, 7. Aufl., 2024, § 1 KSchG, Rn 703 ff.). Es gelten folgende Regeln:
Bei Unkenntnis der für die Sozialauswahl rechtserheblichen Tatsachen genügt der Arbeitnehmer zunächst seiner Darlegungslast, wenn er pauschal die soziale Auswahl beanstandet und den Arbeitgeber auffordert, die Gründe mitzuteilen, die ihn zu der Auswahl veranlasst haben. Im Umfang seiner materiell-rechtlichen Auskunftspflicht geht damit die Darlegungslast auf den Arbeitgeber über. Als auskunftspflichtige darlegungsbelastete Partei hat der Arbeitgeber sodann die Gründe darzulegen, die ihn (subjektiv) zu der von ihm getroffenen Auswahl veranlasst haben. Kommt der Arbeitgeber der ihm hinsichtlich seiner subjektiven Auswahlüberlegungen obliegenden Darlegungslast vollständig nach, hat der Arbeitnehmer wieder die volle Darlegungs- und Beweislast für eine objektiv fehlerhafte Auswahlentscheidung. Es kann sich aber unter Umständen bereits aus den Angaben des Arbeitgebers ergeben, dass das Auswahlverfahren objektiv nicht den gesetzlichen Anforderungen der sozialen Auswahl entsprochen hat (z.B. Verkennung des auswahlrelevanten Personenkreises). Bei einer derartigen Fallgestaltung braucht der Arbeitnehmer zunächst nichts weiter darzulegen, vielmehr spricht eine vom Arbeitgeber auszuräumende tatsächliche Vermutung dafür, dass auch die Auswahlentscheidung objektiv fehlerhaft und damit die Kün...