Dem Betroffenen wird eine Geschwindigkeitsüberschreitung vorgeworfen. Er soll die Geschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaft um 21 km/h überschritten haben. Es wird gegen ihn nach der lfd. Nr. 11.3.4 der Tabelle 1 zur BKatV eine Geldbuße i.H.v. 80 EUR festgesetzt. Der Betroffene legt Einspruch ein. Die Akten werden dem AG vorgelegt. Dort wird Hauptverhandlung anberaumt. Der Betroffene beauftragt nun Rechtsanwalt R mit seiner Verteidigung. In der Hauptverhandlung stellt sich heraus, dass das Messgerät, mit dem die vom Betroffenen gefahrene Geschwindigkeit gemessen worden ist, zum Vorfallszeitpunkt nicht mehr gültig geeicht war. Der Amtsrichter nimmt daher einen höheren Sicherheitsabschlag vor. Es ergibt sich für den Betroffenen nun nur noch eine vorwerfbare Geschwindigkeit von 20 km/h. Demgemäß verhängt das AG nach der lfd. Nr. 11.3.3 der Tabelle 1 zur BKatV nur eine Geldbuße von 35 EUR. Der Betroffene lässt das amtsgerichtliche Urteil rechtskräftig werden (weitere Beispiele bei Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG, Vorbem. 5.1 VV RVG Rn 34 ff.; Burhoff RVGreport 2004, 380).
Lösung:
Die Gebühren von Rechtsanwalt R, der erst nach Eingang der Akten, also nur im gerichtlichen Verfahren tätig geworden ist (vgl. Vorbem. 5.1.2 VV RVG), richten sich nach folgender Stufe:
Die Grundgebühr Nr. 5100 VV RVG ist unabhängig von der Höhe der Geldbuße.
Maßgebend für die Höhe der Verfahrens- und Terminsgebühr im gerichtlichen Verfahren ist die Stufe 2 (von 60 EUR bis 5.000 EUR), obwohl letztlich nur eine Geldbuße von 35 EUR verhängt worden ist. Das hat jedoch auf die maßgebliche Stufe keinen Einfluss. Es kommt auf die "zum Zeitpunkt des Entstehens der Gebühr zuletzt festgesetzte Geldbuße" und nicht auf die rechtskräftig festgesetzte Geldbuße an. Zum Zeitpunkt des Entstehens der gerichtlichen Verfahrensgebühr und der gerichtlichen Terminsgebühr, die mit Aufruf der Sache entsteht (Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG, Nr. 5108 VV RVG Rn 6 i.V.m. Nr. 4106 VV RVG Rn 8 ff.) betrug die "zuletzt festgesetzte Geldbuße" aber noch 80 EUR. Die 35 EUR sind erst im Urteil festgesetzt worden. Zu diesem Zeitpunkt waren Verfahrens- und Terminsgebühr bereits entstanden (vgl. AG Stuttgart RVGreport 2008, 430 = AGS 2008, 547).
Eine während des Abgeltungsbereichs der Gebühr eingetretene Erhöhung der Geldbuße, die zum Überschreiten der Grenze zur nächsten Stufe führt, wird von der Regelung in Vorbem. 5.1 Abs. 2 VV RVG nicht erfasst. Hier bleibt nur die Möglichkeit, diesen Umstand beim Wahlanwalt über § 14 Abs. 1 RVG im Rahmen der Bemessung der konkreten Gebühren zu berücksichtigen (Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG, Vorbem. 5.1 VV RVG Rn 15, 23, 38 27; Gerold/Schmidt/Burhoff, RVG, VV Vorb. 5.1 Rn 8; a.A. AnwKomm-RVG/N. Schneider, Vor Nr. 5107 ff. VV RVG Rn 8: entsprechende Anwendung der Vorb. 5.1 Abs. 2 Satz 2 VV RVG). Deshalb ist für die gerichtlichen Gebühren in diesen Fällen i.d.R. dann mehr als nur die Mittelgebühr angemessen. Angemessen dürfte es sein, die Mittelgebühr um mindestens 30 % zu überschreiten. Beim Pflichtverteidiger besteht diese Möglichkeit allerdings nicht.