In der Praxis kommt es nicht selten vor, dass dem im Wege der PKH oder VKH beigeordneten Rechtsanwalt nach Auffassung der Staatskasse eine zu hohe Anwaltsvergütung ausgezahlt worden ist. Dies kann seinen Grund etwa darin haben, dass der beigeordnete Anwalt aus der Staatskasse einen höheren Vorschuss nach § 47 RVG erhalten hat als letztlich die tatsächlich entstandene Vergütung ausmacht. Oder der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat nach § 55 Abs. 1 RVG eine Gebühr festgesetzt, die nach Auffassung der Staatskasse nicht in der berücksichtigten Höhe oder sogar gar nicht angefallen ist. In einem solchen Fall verlangt die Staatskasse den an den beigeordneten Rechtsanwalt zu Unrecht ausgezahlten Vergütungsbetrag wieder zurück. Da der Auszahlung an den Rechtsanwalt jedoch die vom Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vorgenommene Festsetzung zugrunde liegt, muss die Staatskasse diese Grundlage erst einmal beseitigen. Welche Probleme dabei auftreten können, zeigt der nachfolgend behandelte Fall aus der Praxis.
1. Der Fall des OLG Düsseldorf
Das AG Düsseldorf – FamG – hatte der Antragstellerin in dem anhängigen Scheidungsverbundverfahren ratenfrei VKH unter Beiordnung ihrer Verfahrensbevollmächtigten bewilligt. Aufgrund des Festsetzungsantrags der Anwältin vom 29.6.2015 hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle am 8.7.2015 die’aus der Landeskasse zu zahlende Vergütung auf 720,43 EUR festgesetzt, die an die Rechtsanwältin ausgezahlt wurde. Auf die Erinnerung der Landeskasse vom 20.12.2018 setzte der Urkundsbeamte die Vergütung durch Beschl. v. 2.1.2019 neu auf insgesamt 334,15 EUR fest und verlangte von der Anwältin die Rückzahlung eines Betrags von 386,28 EUR.
Auf die hiergegen gerichtete Erinnerung der Rechtsanwältin hat das AG Düsseldorf die Entscheidung vom 2.1.2019 durch Beschl. v. 4.6.2019 abgeändert und die Rückzahlungsanordnung aufgehoben. Dies hat das FamG damit begründet, das Erinnerungsrecht der Landeskasse sei entsprechend § 20 Abs. 1 GKG erloschen, sodass auch eine Rückforderung überzahlter Vergütung nicht mehr möglich sei. Die hiergegen von der Landeskasse eingelegte Beschwerde hatte beim OLG Düsseldorf (RVGreport 2020, 258 [Hansens] = AGS 2019, 480) keinen Erfolg.
2. Erinnerungsrecht der Landeskasse
Gegen die Festsetzung der PKH-/VKH-Anwaltsvergütung steht der Staatskasse gem. § 56 Abs. 1 S. 1 RVG die Erinnerung zu. Gemäß § 56 Abs. 2 S. 1 RVG gelten im Verfahren über die Erinnerung die Vorschriften des § 33 Abs. 4 S. 1, Abs. 7 u. 8 RVG entsprechend. Dies hat zur Folge, dass die Erinnerung der Staatskasse grds. unbefristet ist, weil gerade nicht auf die Fristbestimmung des § 33 Abs. 3 RVG verwiesen wird, die lediglich für die Beschwerde gegen die Entscheidung über die Erinnerung entsprechend anwendbar ist.
3. Zeitliche Begrenzung der Rückforderung
Ob die Rückforderung einer überhöht festgesetzten und ausgezahlten PKH-/VKH-Anwaltsvergütung durch die Landeskasse einer zeitlichen Begrenzung unterliegt und inwieweit Vertrauensschutzgesichtspunkte die Rückforderungsmöglichkeit beschränken, wird in Rechtsprechung und Literatur unterschiedlich beurteilt.
a) Nur Verwirkung
Nach einer Auffassung unterliegt das Erinnerungsrecht der Staatskasse keiner zeitlichen Begrenzung, sodass der Rechtsanwalt der Erinnerung lediglich den Einwand der Verwirkung entgegenhalten kann. Dies wird damit begründet, angesichts des Umstands, dass die Erinnerungsbefugnis der Staatskasse unbefristet ist, sei auch eine zeitliche Begrenzung der Rückforderungsmöglichkeit der Staatskasse abzulehnen. Dem Vertrauen des beigeordneten Rechtsanwalts werde durch den Einwand der Verwirkung Rechnung getragen, wobei neben dem Zeitmoment auch das Umstandsmoment vorliegen müsse (so OLG Düsseldorf AGS 2017, 350 = JurBüro 2017, 354; Volpert in Schneider/Volpert/Fölsch, FamGKG, 2. Aufl., § 19 Rn 7).
b) Entsprechende Anwendung von § 19 FamGKG/§ 20 GKG
Nach der Gegenauffassung wird unter Verweis auf die Wertung des § 19 Abs. 1 FamGKG/§ 20 Abs. 1 GKG ein Rückforderungsrecht der Landeskasse nach Ablauf des auf die Vergütungsfestsetzung folgenden Kalenderjahrs abgelehnt (s. etwa OLG Brandenburg RVGreport 2010, 218 [Hansens] = AGS 2011, 280; KG RVGreport 2004, 314 [Ders.]; OLG Zweibrücken RVGreport 2006, 423 [Ders.]; OLG Jena Rpfleger 2006, 434; LSG Sachsen-Anhalt RVGreport 2018, 15 [Ders.]; SG Berlin RVGreport 2011, 381 [Ders.]; offen: OLG Celle RVGreport 2015, 248 [Ders.] für die Rückforderung des Vorschusses auf die PKH-Anwaltsvergütung).
Gemäß § 19 Abs. 1 FamGKG/§ 20 Abs. 1 GKG dürfen Kosten wegen eines unrichtigen Ansatzes nur nachgefordert werden, wenn der berichtigte Ansatz dem Zahlungspflichtigen vor Ablauf des nächsten Kalenderjahrs nach Absendung der den Rechtszug abschließenden Schlusskostenrechnung mitgeteilt worden ist. Nach § 19 Abs. 2 FamGKG/§ 20 Abs. 2 GKG ist die Nachforderung von Gerichtskosten bis zum Ablauf des nächsten Kalenderjahrs nach Beendigung des Verfahrens möglich, wenn innerhalb der Frist des § 19 Abs. 1 FamGKG/§ 20 Abs. 1 GKG ein Rechtsbehelf in der Hauptsache oder wegen der Kosten eingelegt wurde. Diese Wertung des Gesetzgebers wird auf den Rückzahlungsanspruch der Staatskasse übertragen.
4. Die Auffassung des OLG Düsseldorf
Nach Auffassung des OLG Düs...