Zusammenfassung
Die vorweggenommene Erbfolge bildet den Kern einer geordneten, frühzeitigen und steueroptimierten Vermögensnachfolgeregelung. Klassisches Beispiel für die vorweggenommene Erbfolge ist die Übertragung von Vermögenswerten zu Lebzeiten auf die eigenen Angehörigen, so z.B. die Übertragung des Familienheims auf die eigenen Kinder unter dem Vorbehalt bestimmter Rechte zur Absicherung der Übertragenden. Die Gestaltungsmöglichkeiten sowie die Auswirkungen der Übertragung beispielweise auf das Pflichtteilsrecht oder die Erbschaft- und Schenkungsteuer haben die Verfasser in der ZAP 2022, F. 12, 429 (Steuerungsinstrumente für eine Vermögensnachfolgeregelung: Teil 1) und ZAP 2022, F. 12, 439 (Steuerungsinstrumente für eine Vermögensnachfolgeregelung: Teil 2) ausführlich dargestellt. Neben der klassischen Übertragung von Vermögenswerten bestehen mit der hier dargestellten Errichtung einer Familienstiftung (Teil 3), der Errichtung einer Familiengesellschaft oder eines Vertrags zugunsten Dritter auf den Todesfall (Teil 4, demnächst in ZAP 2023) weitere Gestaltungsmöglichkeiten, um die lebzeitige Vermögensnachfolge in Abstimmung mit einer Verfügung von Todes wegen zu regeln.
I. Familienstiftung
Wer über die eigene Vermögensnachfolge nachdenkt, hat viele Gestaltungsmöglichkeiten. Die Errichtung einer Familienstiftung, die der Versorgung der eigenen Familienmitglieder dient, ist eine der Möglichkeiten. Gegenüber anderen Stiftungen ist der Stiftungszweck die Begünstigung der Familie.
Der Stifter wird mit der Errichtung einer Familienstiftung häufig die Sicherung der eigenen Familie oder des eigenen Familienvermögens über mehrere Generationen vor Augen haben. Das Vermögen soll vor einer Zersplitterung durch Scheidung oder Erbschaft geschützt werden. Entsprechend können als Motive für die Errichtung einer Familienstiftung angeführt werden:
- Die Familie soll durch die Familienstiftung versorgt und wirtschaftlich abgesichert werden.
- Das Vermögen des Stifters soll durch die Stiftungserrichtung in der Familie erhalten bleiben und vor einer Zerschlagung bewahrt werden (Gewährleistung der Vermögens- und Unternehmenskontinuität).
- Dem Stifter kann es ein Anliegen sein, eigene Vorstellungen vom Einsatz oder der Verwaltung des Vermögens über mehrere Generationen festzulegen.
- Steuerliche Optimierung des Vermögensübergangs bezüglich der erbschaft- bzw. schenkungsteuerlichen Belastung.
- Verringerung oder Vermeidung von Zugewinnausgleichsansprüchen sowie Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüchen.
Die o.g. Motive werden in der Praxis häufig miteinander kombiniert. Beispielweise kann die Errichtung einer Stiftung einerseits die Kontinuität des Unternehmens und andererseits die Absicherung der eigenen Familie gewährleisten. Verfügt der Unternehmer über keinen geeigneten oder willigen Unternehmensnachfolger, kann das Vermögen mit einer Stiftung dauerhaft erhalten und zusammengehalten werden. Die bisherige Unternehmens- bzw. Familienphilosophie sowie die eigenen Wertvorstellungen und Ziele kann der Unternehmer bzw. der Stifter verbindlich in der Satzung festschreiben, wodurch er die Ausrichtung des Unternehmens über seinen Tod hinaus bestimmen kann (so auch Müller, ZStV 2023, 55, 56). Die Übertragung des Unternehmers an familienfremde Dritte kann mithilfe dieser Gestaltungsoption vermieden werden. Das Lebenswerk des Unternehmers wird erhalten.
In dem hier beschriebenen Fall kann der Stifter die Familienstiftung beispielweise mit einer gemeinnützigen Stiftung verbinden, die sog. Doppelstiftung. Bei dieser Stiftungsform wird eine große Beteiligung am Unternehmen in einer gemeinnützigen Stiftung gehalten, während ein kleiner Teil als Familienstiftung ausgestaltet ist. Durch letztere wird das Unternehmen gesteuert und die Versorgung der eigenen Familie gesichert. Diese Kombination kann gegenüber der reinen Familienstiftung steuerlich attraktiv sein (vgl. I. 5.). Als weitere Gestaltungsoption kommt eine unternehmensverbundene Familienstiftung als Beteiligtenträgerstiftung neben einer Unternehmensträgerstiftung in Betracht, die sog. unternehmensverbundene Stiftung. Dies zeigt, dass die Familienstiftung grds. als Instrument der Unternehmensnachfolge eingesetzt werden kann und das praktische Problem eines geeigneten Nachfolgers für das eigene Unternehmen lösen kann.
Die Errichtung einer Familienstiftung wird in der Beratungspraxis aber nur ein Puzzlestück von vielen fürâEUR™eine sorgfältige und steueroptimierte Vermögensnachfolgeregelung sein. In der Regel wird die Errichtung eines Testaments sowie die Gestaltung von Vorsorgeverfügungen mit der Errichtung einer Familienstiftung und ggf. weiteren Gestaltungsmöglichkeiten, wie z.B.
- der Gründung einer Familiengesellschaft,
- der Gründung eines Stiftungsfonds,
- der Zustiftung in eine bestehende Stiftung unter dem Familiennamen,
- der Einsatz erbrechtlicher Gestaltungsmittel wie Auflagen oder Vermächtnis,
- der Einsetzung eines Testamentsvollstreckers oder
- der o.g. lebzeitigen Übertragung von Vermögen durch die vorgenommene Erbfolge
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