Steter Quell arbeitsgerichtlicher Auseinandersetzungen sind Fragen des ordnungsgemäßen Zugangs der Kündigungserklärung. Dies gilt insbesondere bei der außerordentlichen Kündigung aufgrund der Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB (vgl. BAG, Urt. v. 24.5.2018 – 2 AZR 72/18, NZA 2018, 1335).
1. Verfügungsgewalt und Möglichkeit Kenntnis zu nehmen
Nach § 130 Abs. 1 S. 1 BGB wird eine unter Abwesenden abgegebene Willenserklärung in dem Zeitpunkt wirksam, in welchem sie dem Empfänger zugeht. Eine verkörperte Willenserklärung ist zugegangen, sobald sie in verkehrsüblicher Weise in die tatsächliche Verfügungsgewalt des Empfängers gelangt ist und für diesen unter gewöhnlichen Verhältnissen die Möglichkeit besteht, von dem Schreiben Kenntnis zu nehmen (BAG, Urt. v. 24.5.2018 – 2 AZR 72/18; BAG, Urt. v. 26.3.2015 – 2 AZR 483/14, Rn 37, NZA 2015, 1183; BAG, Urt. v. 22.3.2012 – 2 AZR 224/11, Rn 20 f., AP Nr. 19 zu § 5 KSchG 1969). Für den Zugang ist es unerheblich, ob und wann der Erklärungsempfänger die Erklärung tatsächlich zur Kenntnis genommen hat und ob er daran durch Krankheit, zeitweilige Abwesenheit oder andere besondere Umstände einige Zeit gehindert war. Ein an die Heimatanschrift des Arbeitnehmers gerichtetes Kündigungsschreiben kann diesem deshalb selbst dann zugehen, wenn der Arbeitgeber von einer urlaubsbedingten Ortsabwesenheit weiß (BAG, Urt. v. 22.3.2012 – 2 AZR 224/11, a.a.O.).
Eine Klage ist nicht nach § 5 Abs. 1 S. 1 KSchG nachträglich zuzulassen, wenn der Arbeitnehmer, der sich nicht nur vorübergehend im Ausland aufhält, nicht sicherstellt, dass er zeitnah von einem Kündigungsschreiben Kenntnis erlangt, das in einen von ihm vorgehaltenen Briefkasten im Inland eingeworfen wird. Ein treuwidriges Berufen auf den Zugang einer Willenserklärung kommt nur in besonderen Ausnahmefällen in Betracht, da der Begriff des Zugangs im Rechtssinne bereits das Ergebnis einer im Interesse des rechtssicheren Rechtsverkehrs vorgenommenen Abwägung zwischen dem Transportrisiko auf Seiten des Erklärenden und dem Kenntnisnahmerisiko auf Seiten des Empfängers darstellt. Der Arbeitgeber ist nicht aufgrund einer vertraglichen Nebenpflicht gem. § 241 Abs. 2 BGB gehalten, den Arbeitnehmer selbst fernmündlich oder zumindest seinen Prozessbevollmächtigten über den Zugang der Kündigung zu informieren. Zwar kann der Arbeitgeber aufgrund arbeitsvertraglicher Nebenpflichten gehalten sein, zur Vermeidung von Rechtsnachteilen von sich aus geeignete Hinweise zu geben. Grundsätzlich hat allerdings innerhalb vertraglicher Beziehungen jede Partei für die Wahrnehmung ihrer Interessen selbst zu sorgen. Hinweis- und Aufklärungspflichten beruhen auf den besonderen Umständen des Einzelfalls und sind das Ergebnis einer umfassenden Interessenabwägung (vgl. BAG, Urt. v. 25.4.2018 – 2 AZR 493/17, NZA 2018, 1157).
2. Zugangsvereitelung
Der Zugang einer verkörperten Willenserklärung unter Anwesenden ist auch dann bewirkt, wenn das Schriftstück dem Empfänger mit der für ihn erkennbaren Absicht, es ihm zu übergeben, angereicht und, falls er die Entgegennahme ablehnt, so in seiner unmittelbaren Nähe abgelegt wird, dass er es ohne Weiteres an sich nehmen und von seinem Inhalt Kenntnis nehmen kann. Verhindert der Empfänger durch eigenes Verhalten den Zugang einer Willenserklärung, muss er sich so behandeln lassen, als sei ihm die Erklärung bereits zum Zeitpunkt des Übermittlungsversuchs zugegangen. Nach Treu und Glauben ist es ihm verwehrt, sich auf den späteren tatsächlichen Zugang zu berufen, wenn er selbst für die Verspätung die alleinige Ursache gesetzt hat. Sein Verhalten muss sich als Verstoß gegen bestehende Pflichten zu Sorgfalt oder Rücksichtnahme (vgl. § 241 S. 2 BGB) darstellen. Lehnt der Empfänger grundlos die Entgegennahme eines Schreibens ab, muss er sich nach § 242 BGB jedenfalls dann so behandeln lassen, als sei es ihm im Zeitpunkt der Ablehnung zugegangen, wenn er im Rahmen vertraglicher Beziehungen mit der Abgabe rechtserheblicher Erklärungen durch den Absender rechnen musste. Ein Arbeitnehmer muss regelmäßig damit rechnen, dass ihm anlässlich einer im Betrieb stattfindenden Besprechung mit dem Arbeitgeber rechtserhebliche Erklärungen betreffend sein Arbeitsverhältnis übermittelt werden. Der Betrieb ist typischerweise der Ort, an dem das Arbeitsverhältnis berührende Fragen besprochen und geregelt werden. Zum Bereich des Empfängers gehören von ihm vorgehaltene Empfangseinrichtungen wie ein Briefkasten. Ob die Möglichkeit der Kenntnisnahme bestand, ist nach den "gewöhnlichen Verhältnissen" und den "Gepflogenheiten des Verkehrs" zu beurteilen. So bewirkt der Einwurf in einen Briefkasten den Zugang, sobald nach der Verkehrsanschauung mit der nächsten Entnahme zu rechnen ist. Dabei ist nicht auf die individuellen Verhältnisse des Empfängers abzustellen. Im Interesse der Rechtssicherheit ist vielmehr eine generalisierende Betrachtung geboten. Anders als dann, wenn ein Brief ohne Wissen des Adressaten erst nach den üblichen Postzustellzeiten in dessen Hausbriefkasten eingeworfen wird, ist mit der Kenntnisnahme eines Schreibens, ...