Die Wortbedeutung der Erledigung der Hauptsache resultiert aus der parteiautonomen Entscheidung der Parteien eines Rechtsstreits, den von ihnen geführten Rechtsstreit bis zum Eintritt der formellen Rechtskraft nach § 705 ZPO zu beenden, indem beide (oder zumindest die Klagepartei) eine Erledigungserklärung abgeben und diese in geeigneter Form dem zur Entscheidung berufenen Gericht gegenüber kundtun.
Auch wenn vom Wortlaut des § 91a ZPO ausdrücklich nur die von beiden Parteien beantragte Erledigungserklärung erfasst wird, ist es nahezu einhellige Meinung, dass wegen der in § 91a ZPO geregelten Institutswirkung auch die nur einseitig gebliebene Erledigungserklärung mit umfasst ist (BeckOK-ZPO/Jaspersen, 53. Ed. [Stand: 1.7.2024], § 91a Rn 4). Diese Prozesshandlung der Erledigungserklärung bildet den einen Teil des Instituts „Erledigungserklärung”. Die einseitige Erledigungserklärung durch den Kläger stellt eine Prozesshandlung dar, die erst nach weiteren Handlungen der anderen Prozesspartei oder des Gerichts eine konkrete Wirkung zeitigt und ist somit eine sog. Erwirkungshandlung (Zöller/Althammer, 2024, § 91a ZPO Rn 2).
a) Prozesshandlung als Erwirkungs- oder Bewirkungshandlung
Eine Erwirkungshandlung ist eine Prozesshandlung, die das Gericht oder die andere Prozesspartei zu einer bestimmten Entscheidung veranlassen soll (OLG Schleswig, Beschl. v. 27.2.2017 – 4 U 19/16, NJW 2018, 638 Rn 15; Musielak/Voit/Musielak, ZPO, 21. Aufl. 2024, Einleitung Rn 61). Sie selbst hat keine eigenständige Wirkung, sondern will diese prozessuale Wirkung erst herbeiführen. Regelmäßig tritt die prozessuale Wirkung also erst aufgrund einer nachgelagerten Handlung des Gerichts ein (BGH, Urt. v. 27.2.2015 – V ZR 128/14, NJW 2015, 2425 Rn 28). Beispiele für typische Erwirkungshandlungen in der ZPO sind:
- der (echte und unechte) Hilfsantrag,
- der Beweisantrag,
- die Prozessaufrechnungserklärung oder
- die Erledigungserklärung (BeckOK-ZPO/Elzer, 53. Ed. [Stand: 1.7.2024], § 300 ZPO Rn 89.1).
Eine Bewirkungshandlung hingegen ist eine Prozesshandlung, die unmittelbar, mithin ohne weitere notwendige gerichtliche Zwischenschritte, eine prozessuale Wirkung zeitigt und damit konkret auf die Prozesslage einwirkt (BGH 2015, a.a.O.). Typische Beispiele sind insoweit:
- Klageerhebung und Klagerücknahme gem. §§ 253, 269 ZPO,
- das Anerkenntnis gem. § 307 ZPO oder
- die Rücknahme des Einspruchs im Säumnisverfahren gem. § 346 ZPO (Elzer, a.a.O., § 300 ZPO Rn 88).
b) Einseitige Erledigungserklärung der Beklagtenpartei
Eine isolierte Erledigungserklärung der Beklagtenpartei ist nach zutreffender und nahezu einhelliger Ansicht in Literatur und Rspr. wirkungslos, da nur die Klagepartei aufgrund ihrer Dispositionsmaxime den ursprünglichen Klageantrag und damit den zur Entscheidung gestellten Streitgegenstand nachträglich abändern kann (BGH, Beschl. v. 26.5.1994 – I ZB 4/94, NJW 1994, 2363, 2364; BGH, Urt. v. 18.3.2008 – XI ZR 246/06, NJW-RR 2008, 1149 Rn 8; Müko-ZPO/Schulz, 2020, § 91a Rn 101). Eine andere Bewertung ist naturgemäß bei der Widerklage angezeigt, da die Beklagtenpartei insoweit die Stellung einer (Wider-)Klagepartei hat (LG Kaiserslautern, Urt. v. 13.4.2021 – 4 O 284/20, BeckRS 2021, 7514; Althammer, a.a.O., § 91a ZPO Rn 52).
Hinweis:
Möglich ist es aber, die einseitige Erledigungserklärung der Beklagtenpartei als Antrag auf Klageabweisung auszulegen, in Zweifelsfällen ist das Gericht nach § 139 ZPO angehalten, die Partei darauf hinzuweisen, sachdienliche Erklärungen abzugeben (Musielak/Voit/Flockenhaus, ZPO, 21. Aufl. 2024, § 91a ZPO Rn 49).
Da das Institut der übereinstimmenden Erledigungserklärung keine zwingende zeitliche Vorgabe der korrespondierenden Erledigungserklärungen enthält, kann die einseitige Erledigungserklärung der Beklagtenpartei als antizipierte Zustimmung zur nachfolgend erklärten Erledigungserklärung der Klagepartei ausgelegt werden, sofern eine solche Erklärung der Klagepartei tatsächlich erfolgt (allg. Meinung, Anders/Gehle/Gehle, a.a.O., § 91a ZPO Rn 249 m.w.N.). Mit der Wirksamkeit erlischt ex nunc die Rechtshängigkeit, soweit die Erklärungen inhaltlich übereinstimmen, und es ist nach Maßgabe von § 91a ZPO nur noch über die Kostentragung zu entscheiden. Die Erledigungserklärung der Beklagtenpartei enthält dabei neben der vorweggenommenen Zustimmung zur Erledigung die Aufforderung an die Klagepartei, den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt zu erklären.