Das sog. Erledigungsereignis ist als das tatsächliche Geschehen zu sehen, das eine entsprechende Prozesshandlung erst erforderlich macht, weil es eine entscheidende Auswirkung auf einen laufenden Rechtsstreit hat. Das Erledigungsereignis ist untrennbar mit der Prozesshandlung verbunden, ist jedoch streng von dieser zu unterscheiden. Das Erledigungsereignis betrifft allein die materielle Rechtslage und führt zur faktischen Erledigung des Rechtstreits (Flockenhaus, a.a.O., § 91a ZPO Rn 10).
Hinweis:
Bei einer Klage, die auf Unterlassung einer konkreten Eigentumsbeeinträchtigung gerichtet ist und auf § 1004 BGB gestützt wird, kann in einer durch den Beklagten im rechtshängigen Rechtsstreit abgegebenen Unterlassungserklärung ein solches Erledigungsereignis gesehen werden, weil dieses materiellrechtlich zum Wegfall der Wiederholungsgefahr und damit zum Wegfall des Unterlassungsanspruchs aus § 1004 BGB führt (BGH, Beschl. v. 24.10.2005 – II ZR 56/04, NJW-RR 2006, 566 Rn 4 ff.).
Da das Erledigungsereignis rein materiellrechtlich wirkt, wird der laufende Rechtsstreit trotz Änderung der Rechtslage nicht tangiert. Erst durch Vornahme der Prozesshandlung einer Erledigungserklärung der Klagepartei, welcher sich die Beklagtenpartei ebenfalls durch Prozesshandlung anschließen kann, wird die Änderung der Rechtslage prozessual in den rechtshängigen Rechtsstreit eingeführt und überführt.
a) „Prozessuale” und „materiellrechtliche” Erledigung
Typologisch kann man hiernach zwischen einer „prozessualen” und einer „materiellrechtlichen” Erledigung unterscheiden: Eine „prozessuale” Erledigung tritt als Ausfluss der Dispositionsmaxime bei einer übereinstimmenden Erledigungserklärung auch dann ein, wenn ein Erledigungsereignis tatsächlich gar nicht gegeben ist. Das gilt sogar dann, wenn die Prozessparteien aufgrund einer falschen Einschätzung der Rechtslage irrig die Erledigungserklärungen abgegeben haben (Kern/Diehm/Goldbeck, ZPO, 2. Aufl. 2020, § 91a ZPO Rn 5).
Eine „materiellrechtliche” Erledigung wird erst und nur bei der einseitig gebliebenen Erledigungserklärung der Klagepartei relevant. Sobald sich die Beklagtenpartei der einseitigen Erledigungserklärung anschließt, führt wieder ausschließlich die „prozessuale” Erledigung zur Prozessbeendigung.
b) Der Begriff der Hauptsache
Unter dem Begriff der Hauptsache ist im zivilprozessualen Erkenntnisverfahren der Streitgegenstand im jeweiligen Rechtsstreit zu verstehen, auf den sich die Erledigungserklärung bezieht. In anderen Verfahrensarten (z.B. Erinnerungen oder (sofortigen) Beschwerden) ist unter Hauptsache ganz allgemein die von der Klagepartei bzw. dem Antragsteller begehrte Rechtsfolge zu verstehen. Zum Begriff der Hauptsache gehören dabei auch Nebenforderungen nach § 4 Abs. 1 Hs. 2, Abs. 2 ZPO (Früchte, Nutzungen und Zinsen), nicht aber die Kosten des Rechtsstreits (Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, 45. Aufl. 2024, § 91a ZPO Rn 3). Letztere werden selbst dann nicht zur Hauptsache des Rechtsstreits, wenn eine Verfahrensbeendigung durch Vergleich – z.B. aufgrund eines Versehens – ohne die an sich erforderliche Kostenfolge erledigt worden ist (Saenger/Gierl, ZPO, 10. Aufl. 2023, § 91a ZPO Rn 5).