Zusammenfassung
Die einseitige und übereinstimmende Erledigungserklärung ist in allen Verfahren vor den Zivilgerichten von erheblicher praktischer Bedeutung, um auf neue Entwicklungen während des laufenden Rechtsstreits angemessen reagieren und insb. einer ohne Vornahme der Erledigungserklärung drohenden Niederlage mit entsprechender Kostentragungspflicht entgehen zu können. Dies gilt umso mehr, als die Erledigungserklärung auch in der Berufungs- und Revisionsinstanz erfolgen kann. Der folgende Beitrag wird u.a. die unterschiedliche Behandlung von Prozessaufrechnung und Verjährungseinrede einerseits und der Anfechtungserklärung während eines laufenden Rechtsstreits andererseits darstellen, die nach st. Rspr. des BGH vorzunehmen ist und daher von der Anwaltschaft beachtet werden sollte.
I. Erledigungserklärung nach § 91a ZPO
1. Allgemeines
§ 91a ZPO regelt insgesamt das Institut der zivilprozessualen Erledigungserklärung, welches unabhängig von der vorliegenden Form, übereinstimmend oder einseitig, eine Verfahrensbeendigung beider Prozessparteien oder der Klagepartei vorsieht, sofern die Erledigungserklärung wirksam vorgenommen wird. Da es sich bei der Erledigungserklärung um eine nach allgemeinen Grundsätzen zu beurteilende Prozesshandlung (vgl. hierzu Anders/Gehle/Anders, ZPO, 82. Aufl. 2024, vor § 128 ZPO Rn 54) handelt, ist diese grds. unwiderruflich, was eine genaue Kenntnis der Prozessbeteiligten hinsichtlich Voraussetzungen und Wirkungen voraussetzt, bevor diese abgegeben wird, insb. um einen etwaigen Haftungsfall der Prozessbevollmächtigten – bei irrtümlicher Erklärung – zu vermeiden.
Was genau unter dem Begriff der Erledigung i.S.v. § 91a ZPO zu verstehen ist, ist unklar und wird auch an keiner Stelle der ZPO explizit geklärt. Der Begriff der Erledigung wird in der ZPO vielmehr an einigen Stellen verwendet, wobei das jeweils aus § 91a ZPO folgende Begriffsverständnis zugrunde zu legen ist. So wird der Begriff der Erledigung z.B. in § 99 Abs. 2 S. 1 ZPO, § 349 Abs. 1 S. 1 ZPO oder in § 83 Abs. 2 FamFG verwendet, ohne eine konkrete Begriffserklärung zu enthalten.
2. Formen der Erledigungserklärung
Die Wortbedeutung der Erledigung der Hauptsache resultiert aus der parteiautonomen Entscheidung der Parteien eines Rechtsstreits, den von ihnen geführten Rechtsstreit bis zum Eintritt der formellen Rechtskraft nach § 705 ZPO zu beenden, indem beide (oder zumindest die Klagepartei) eine Erledigungserklärung abgeben und diese in geeigneter Form dem zur Entscheidung berufenen Gericht gegenüber kundtun.
Auch wenn vom Wortlaut des § 91a ZPO ausdrücklich nur die von beiden Parteien beantragte Erledigungserklärung erfasst wird, ist es nahezu einhellige Meinung, dass wegen der in § 91a ZPO geregelten Institutswirkung auch die nur einseitig gebliebene Erledigungserklärung mit umfasst ist (BeckOK-ZPO/Jaspersen, 53. Ed. [Stand: 1.7.2024], § 91a Rn 4). Diese Prozesshandlung der Erledigungserklärung bildet den einen Teil des Instituts „Erledigungserklärung”. Die einseitige Erledigungserklärung durch den Kläger stellt eine Prozesshandlung dar, die erst nach weiteren Handlungen der anderen Prozesspartei oder des Gerichts eine konkrete Wirkung zeitigt und ist somit eine sog. Erwirkungshandlung (Zöller/Althammer, 2024, § 91a ZPO Rn 2).
a) Prozesshandlung als Erwirkungs- oder Bewirkungshandlung
Eine Erwirkungshandlung ist eine Prozesshandlung, die das Gericht oder die andere Prozesspartei zu einer bestimmten Entscheidung veranlassen soll (OLG Schleswig, Beschl. v. 27.2.2017 – 4 U 19/16, NJW 2018, 638 Rn 15; Musielak/Voit/Musielak, ZPO, 21. Aufl. 2024, Einleitung Rn 61). Sie selbst hat keine eigenständige Wirkung, sondern will diese prozessuale Wirkung erst herbeiführen. Regelmäßig tritt die prozessuale Wirkung also erst aufgrund einer nachgelagerten Handlung des Gerichts ein (BGH, Urt. v. 27.2.2015 – V ZR 128/14, NJW 2015, 2425 Rn 28). Beispiele für typische Erwirkungshandlungen in der ZPO sind:
- der (echte und unechte) Hilfsantrag,
- der Beweisantrag,
- die Prozessaufrechnungserklärung oder
- die Erledigungserklärung (BeckOK-ZPO/Elzer, 53. Ed. [Stand: 1.7.2024], § 300 ZPO Rn 89.1).
Eine Bewirkungshandlung hingegen ist eine Prozesshandlung, die unmittelbar, mithin ohne weitere notwendige gerichtliche Zwischenschritte, eine prozessuale Wirkung zeitigt und damit konkret auf die Prozesslage einwirkt (BGH 2015, a.a.O.). Typische Beispiele sind insoweit:
- Klageerhebung und Klagerücknahme gem. §§ 253, 269 ZPO,
- das Anerkenntnis gem. § 307 ZPO oder
- die Rücknahme des Einspruchs im Säumnisverfahren gem. § 346 ZPO (Elzer, a.a.O., § 300 ZPO Rn 88).
b) Einseitige Erledigungserklärung der Beklagtenpartei
Eine isolierte Erledigungserklärung der Beklagtenpartei ist nach zutreffender und nahezu einhelliger Ansicht in Literatur und Rspr. wirkungslos, da nur die Klagepartei aufgrund ihrer Dispositionsmaxime den ursprünglichen Klageantrag und damit den zur Entscheidung gestellten Streitgegenstand nachträglich abändern kann (BGH, Beschl. v. 26.5.1994 – I ZB 4/94, NJW 1994, 2363, 2364; BGH, Urt. v. 18.3.2008 – XI ZR 246/06, NJW-RR 2008, 1149 Rn 8; Müko-ZPO/Schulz, 2020, § 91a Rn 101). Eine andere Bewertung ist naturgemäß bei der Widerklage angezeigt, da die Beklagtenpartei inso...