Hinweis:
Siehe Stollenwerk ZAP F. 11 R, S. 887.
Gemäß § 27 VersAusglG findet ein Versorgungsausgleich ausnahmsweise nicht statt, soweit er grob unbillig wäre. Die ist nur der Fall, wenn er zu einem erheblichen und damit grob unbilligem wirtschaftlichen Ungleichgewicht zwischen den beteiligten Eheleuten führen würde und die gesamten Umstände des Einzelfalls es rechtfertigen, von der Halbteilung abzuweichen. Die grobe Unbilligkeit muss sich wegen des Ausnahmecharakters des § 27 VersAusglG aus einer Gesamtabwägung der wirtschaftlichen, sozialen und persönlichen Verhältnisse beider Ehegatten ergeben (vgl. BGH FamRZ 2013, 106 und 690).
Grundsätzlich ist von einem Ungleichgewicht erst dann auszugehen, wenn im Zeitpunkt der Entscheidung klar abzusehen ist, dass zum einen der auf der Grundlage einer Vorsorgevermögensbilanz insgesamt ausgleichsberechtigte Ehegatte über so hohes Einkommen bzw. Vermögen verfügen wird, dass seine Altersversorgung voll abgesichert ist, während zum andern der insgesamt ausgleichspflichtige Ehegatte auf die ehezeitlich erworbenen Versorgungsrechte zur Sicherung seines Unterhalts dringend angewiesen ist (vgl. BGH FamRZ 2013, 1200). Der BGH (FamRZ 2015, 1001 m. Anm. Holzwarth = MDR 2015, 591) betont, dass aus der Ungewissheit über Dauer und Umfang der künftigen versorgungsbegründenden Erwerbstätigkeit kein Argument für die Anwendung der Härteklausel zulasten der ausgleichsberechtigten Person hergeleitet werden kann.
Das OLG Brandenburg (FamRZ 2015, 930) hat entschieden, dass es nicht zum teilweisen oder vollen Ausschluss des Versorgungsausgleichs führt, soweit ein Ehegatte wegen der Betreuung gemeinsamer Kinder eine Beeinträchtigung seiner beruflichen Karriere hat hinnehmen müssen.
Auch soweit aufgrund einer schicksalhaften Entwicklung ein Ehegatte in der Ehe wegen einer eintretenden Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit keine Versorgungsanrechte erwerben kann, führt dies allein nicht zu einem Ausschluss (OLG Brandenburg FamRZ 2015, 1033 m. Anm. Borth = ZAP EN-Nr. 345/2015).
Soweit der Ausschluss auf eine Unterhaltspflichtverletzung gestützt wird, greift § 27 VersAusglG nur dann ein, wenn die Pflichtverletzung innerhalb der Ehezeit erfolgt ist. Nach Auffassung des OLG Brandenburg (FamRZ 2015, 932) rechtfertigt eine Unterhaltspflichtverletzung noch keinen Ausschluss, wenn sie bei langer Ehedauer nur wenige Monate in die Ehezeit fällt.
Der BGH (FamRZ 2015, 998 m. Anm. Hoppenz = MDR 2015, 592 = NJW 2015, 1599) stellt klar, dass auch der Entzug von Anrechten durch Ausübung des Kapitalwahlrechtes eine Anwendung des § 27 VersAusglG rechtfertigt, wenn keine andere Kompensationsmöglichkeit besteht, etwa wenn die Ehegatten den Zugewinnausgleich ausgeschlossen haben. Im Umfang des Entzugs kann dann der Ausgleich der von dem anderen Ehegatten erworbenen Anrechte beschränkt werden. Die Härtefallklausel des § 27 VersAusglG habe in diesem Zusammenhang die Funktion eines Gerechtigkeitskorrektivs; die grobe Unbilligkeit bestehe in der Verletzung des Leitgedankens des Halbteilungsgrundsatzes. Zusätzlich sei nicht erforderlich, dass der Ausgleichsberechtigte nicht ausreichend abgesichert und der Pflichtige besonders stark auf das Behalten seiner Anrechte angewiesen ist.
Hoppenz weist in seiner Anmerkung darauf hin, dass nicht mehr wie bei Anwendung des § 1587c Nr. 2 BGB a.F. ein treuwidriges oder illoyales Verhalten vorausgesetzt wird.
Demgegenüber stellt das OLG Schleswig (FamRZ 2015, 672 = NJW 2015, 1317) darauf ab, ob es sich bei der Kündigung einer privaten Rentenversicherung und der Auszahlung des Guthabens vor Entscheidung über den Versorgungsausgleich um eine illoyale Einwirkung auf das Versorgungsanrecht gehandelt habe. Dies sei i.d.R. nicht der Fall wenn es zur Behebung wirtschaftlicher Schwierigkeiten geschehe, selbst wenn die finanziellen Schwierigkeiten durch eine Verletzung der Erwerbsobliegenheit mitverursacht wurden.
Die Gesetzesänderung betreffend den Wegfall des sog. Rentner- bzw. Pensionistenprivilegs, deren Verfassungsmäßigkeit das BVerfG (FamRZ 2015, 389 = NJW 2015, 686 = FamRB 2015, 90 m. Hinw. Schwamb = ZAP EN-Nr. 110/2015) festgestellt hat, rechtfertigt für sich genommen eine auf § 27 VersAusglG gestützte Korrektur des Versorgungsausgleich des ausgleichsberechtigten Ehegatten nicht (BGH FamRZ 2015, 1001 m. Anm. Holzwarth = MDR 2015, 591 = ZAP EN-Nr. 435/2015).
Auch der Umstand, dass ein Ehegatte über einen längeren Zeitraum keine Einzahlungen in die gesetzliche Rentenversicherung erbracht hat, führt nicht zu einer Beschränkung oder einem Wegfall des Versorgungsausgleich, wenn dieses Verhalten auf einer gemeinsamen Lebensplanung der Eheleute beruhte (OLG Hamm FamRZ 2015, 580).
Hinweis:
Scheitert der Zugriff auf den Zugewinnausgleich, weil seine Durchführung den Ausgleichsanspruch nicht erhöht bzw. die Ausgleichschuld nicht vermindert, kommt ggf. ein Schadensersatzanspruch nach § 826 BGB in Betracht.