Der für das anwaltliche Haftungsrecht zuständige IX. Zivilsenat des BGH hat ein richtungsweisendes Urteil zur Einbeziehung von Dritten in den Schutzbereich des Anwaltsvertrags gesprochen. Danach kann ein Vertreter des Mandanten im Falle einer Pflichtverletzung des Anwalts keine Ansprüche geltend machen. Der Anwaltsvertrag entfaltet demnach keine Schutzwirkungen zugunsten eines Mandantenvertreters, jedenfalls soweit Gegenstand des Anwaltsvertrags lediglich die Beratung des Mandanten für dessen eigene Entscheidungen sei (Urt. v. 21.7.2016 – IX ZR 252/15, noch nicht veröff.).
In dem auch aus den Medien bekannten Fall hatte der ehemalige Ministerpräsident des Bundeslandes Baden-Württemberg seine Anwälte verklagt. Diese hatten das Land Baden-Württemberg bei einer Unternehmenstransaktion im Zusammenhang mit dem geplanten Erwerb von EnBW-Aktien beraten. Der Aktienkauf wurde anschließend ohne vorherige Genehmigung durch den Landtag von Baden-Württemberg durchgeführt. Dies war verfassungswidrig, wie der Staatsgerichtshof für das Land Baden-Württemberg später feststellte. Gegen den ehemaligen Ministerpräsidenten des Bundeslandes wurde ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren wegen Untreue eingeleitet, das mittlerweile eingestellt wurde. Dieser warf der Kanzlei nun vor, durch ihre Falschberatung persönlich einen Vermögensschaden durch die Niederlegung seines Landtagsmandats und seine Verteidigerkosten erlitten zu haben.
Vor dem LG und dem OLG hatte er damit keinen Erfolg. Auch der BGH lehnte einen Schadensersatzanspruch ab. Ein Anwaltsvertrag könne zwar drittschützende Wirkung haben, sofern der Dritte mit der Leistung des Anwalts bestimmungsgemäß in Berührung komme, der Mandant ein Interesse an der Einbeziehung des Dritten in den Schutzbereich des Anwaltsvertrags habe, dies dem Anwalt erkennbar und der Dritte schutzbedürftig sei. Diese Voraussetzungen erfülle der vorliegend vom Land Baden-Württemberg mit der beklagten Anwaltskanzlei abgeschlossene Vertrag aber nicht. Die bisherigen Entscheidungen, in denen bei Anwaltsverträgen eine Schutzwirkung zugunsten eines Dritten anerkannt worden sei, beruhten zum Teil darauf, dass die anwaltliche Beratung dem Dritten als Grundlage für Dispositionen über sein eigenes Vermögen dienen oder auf ihrer Grundlage dem Dritten ein Vermögensvorteil zugewendet werden sollte. In anderen Fällen sei es darum gegangen, dass die Leistung des Anwalts auch dazu bestimmt gewesen sei, dass der Dritte konkret feststehende Handlungsgebote, die ihn persönlich getroffen hätten, einhalten und so eine persönliche Haftung gegenüber Außenstehenden vermeiden konnte.
Damit sei der Beratungsvertrag des Landes mit der beklagten Anwaltskanzlei nicht vergleichbar. Gegenstand des Anwaltsvertrags sei hier die Beratung des Bundeslandes zu einer vom Land zu treffenden Entscheidung gewesen. Die Beratung eines Anwalts für Entscheidungen des Mandanten begründe regelmäßig kein Näheverhältnis für den Vertreter des Mandanten. Außerdem habe der Mandant in solchen Fällen im Allgemeinen auch kein Interesse an einer Einbeziehung seines Vertreters in den Schutzbereich seines Anwaltsvertrags, soweit der Vertreter seinerseits die ihn selbst gegenüber dem Mandanten treffenden Pflichten einzuhalten habe.
Damit hat der BGH einer Ausweitung der Haftungsrechtsprechung unter dem Aspekt des Schutzbereichs des Anwaltsvertrags eine Absage erteilt. Haftungsansprüche Dritter gegen den Anwalt bleiben bis auf weiteres auf die bereits durch die Rechtsprechung entwickelten und seltenen Ausnahmefälle beschränkt.
[Quelle: BGH]