Die Rechtsfolgen in Fällen, in denen der Mieter oder ihm zurechenbare Dritte selbst den Mangel verursacht haben und damit eine Minderung generell ausgeschlossen ist, wurden bereits dargestellt (s. oben VI). Zu erörtern bleibt der Fall, dass die Minderung dem Grunde nach möglich ist, der Mieter aber entweder die Höhe der Minderungsquote falsch einschätzt oder nach einer falschen Rechtsauskunft handelt (zur Beratungspflicht des Rechtsanwalts in Minderungsfällen: BGH, Urt. v. 27.9.2007 – IX ZR 86/04; zur Zurechnung schuldhaft fehlerhafter Beratung: BGH, Urt. v. 25.10.2006 – VIII ZR’102/06). Ein Verschulden des Mieters wird in diesem Fall als Voraussetzung für den Eintritt des Verzugs (§ 286 Abs. 4 BGB) ausgeschlossen, was eine zahlungsverzugsbedingte Kündigung des Vermieters mangels Verschuldens zu Fall bringt. Ein Verschulden des Mieters ist dagegen anzunehmen, wenn er seinem Rechtsanwalt keine zutreffenden Informationen über die tatsächliche Voraussetzung für die Mietminderung erteilt hat.
Zur falsch eingeschätzten Höhe der Minderungsquote hat sich eine Rechtsprechung gefestigt, nach der der Zahlungsverzug nicht zu vertreten ist, wenn der Mieter rechtsirrtümlich den zulässigen Umfang der Minderung überschritten, aber nicht schuldhaft eine vollkommen überhöhte Minderungsquote angesetzt hat. Mangels Zahlungsverzugs ist eine fristlose Kündigung des Vermieters dann unwirksam (dazu LG Mannheim, Urt. v. 16.10.1975 – 4 S 108/75; AG Hamburg, Urt. v. 9.1.1979 – 42 C 634/76). Hat der Mieter allerdings vorwerfbar den Umfang des Minderungsanspruchs verkannt, so ist bei Vorliegen der sonstigen kündigungsbegründenden Voraussetzungen eine fristlose Kündigung des Vermieters wegen Zahlungsverzugs möglich (AG Aachen, Urt. v. 20.3.1992 – 81 C 428/91; LG Berlin, Urt. v. 18.10.1994 – 65 S 201/93; Börstinghaus, DWW 1995, 33, 34). Kündigungsbegründender Verzug aufgrund eines entsprechenden Verschuldens des Mieters ist anzunehmen, wenn er die Miete bei zweifelhafter Rechtslage (LG’Berlin, Urt. v. 3.3.2020 – 67 S 212/19) oder ins Blaue hinein gemindert hat (LG Berlin, Beschl. v. 24.7.2019 – 65 S 73/19; LG Berlin, Urt. v. 27.5.2005 – 65 S 35/05: schuldloser Rechtsirrtum nur, wenn sich der Mieter mit Sorgfalt um die Klärung der zweifelhaften Fragen bemüht und nicht das Risiko, dass seine eigene Beurteilung unzutreffend ist, dem Gläubiger zugeschoben hat; einschränkender: AG Merzig, Urt.’v. 5.8.2005 – 23 C 1282/04: keine erhebliche schuldhafte Pflichtverletzung durch Mietminderung ohne Rechtsgrund, solange der Betrag eine Monatsmiete nicht wesentlich übersteigt; LG Berlin, Urt. v.’18.10.1994 – 65 S 201/93) oder der Minderungsbetrag in einem so eklatanten Missverhältnis zur tatsächlich gerechtfertigten Minderung steht, dass die Fehleinschätzung des Mieters hinsichtlich der angemessenen Minderungsquote nicht mehr entschuldbar ist (AG Aachen, Urt. v. 20.3.1992 – 81 C 428/91 – 100-%iger Mieteinbehalt bei Mängeln, die nur eine Minderungsquote von maximal 25–30 % rechtfertigen).
Einer wegen Verschuldens des Mieters begründeten Kündigung wegen Zahlungsverzugs kann auch nicht entgegengehalten werden, der Vermieter müsse als milderes Mittel zunächst den Zahlungsanspruch klageweise verfolgen (BVerfG, Beschl. v. 15.3.1989 – 1 BvR 1428/88).
Abgesehen von der Kündigung stehen dem Vermieter bei einem Handeln des Mieters aufgrund einer unrichtigen Rechtsauskunft oder aufgrund falscher Einschätzung der Minderungsquote Ansprüche auf’die volle Miete und bei Verschulden Ansprüche auf Verzugszinsen (§ 291 BGB) sowie Abmahnungsansprüche zu. Sollte sich aus dem Verzug des Mieters ein weiterer Verzugsschaden für den Vermieter ergeben, so bleiben selbstverständlich auch weitere Schadenersatzansprüche unbenommen.
Auch wenn der Mieter die Miete zu Unrecht gemindert hat, darf der Vermieter nicht die Heizung abstellen oder die Versorgung der Wohnung mit Gas, Wasser und Strom unterbinden. Dies gilt auch für die Wohnungseigentümergemeinschaft in dem Fall, dass ein Wohnungseigentümer vermietet und dessen Mieter in Zahlungsrückstände gerät (OLG Köln, Urt. v. 15.3.2000 – 2 U 74/99). Ebenso wenig darf der Vermieter Telefonleitungen und Antennenkabel unterbrechen (AG Saarbrücken, Urt. v. 31.1.1985 – 24b C 71/85). Er hat insoweit kein Zurückbehaltungsrecht aus § 320 BGB. Es handelt sich um eine nicht nachholbare Leistung. Vor allem darf der Vermieter den Mieter nicht unter Berufung auf ein Zurückbehaltungsrecht in dessen Besitz stören (§ 858 BGB).
Von Rechtsanwalt Dr. Hans-Reinold Horst, Hannover/Solingen
ZAP F. 4, S. 905–910