Anfang August hat der X. Zivilsenat des BGH dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) eine wichtige Rechtsfrage zur Vorabentscheidung vorgelegt, die einen pandemiebedingten Reiserücktritt betrifft. Kurz zusammengefasst geht es darin um die Frage, ob ein Urlauber bei einer gebuchten und noch vor Antritt von ihm stornierten Pauschalreise die daraufhin anfallenden Stornogebühren auch dann tragen muss, wenn sich herausstellt, dass die konkrete Reise wegen Corona sowieso unmöglich geworden wäre.
Ein solcher Fall liegt dem für Pauschalreiserecht zuständigen X. Zivilsenat des BGH momentan vor. Danach hat der Kläger im Januar 2020 eine Reise nach Japan im Zeitraum vom 3. bis 12.4.2020 zu einem Gesamtpreis von 6.148 EUR gebucht. In Japan waren Anfang Februar Schutzmasken im gesamten Land ausverkauft. Ende Februar schlossen die großen Vergnügungsparks, sportliche Großveranstaltungen fanden nicht mehr oder nur noch unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Am 26.2.2020 beschloss die japanische Regierung, für die kommenden Wochen sämtliche Großveranstaltungen komplett abzusagen. Einen Tag später wurde beschlossen, sämtliche Schulen bis mind. Anfang April zu schließen. Der Kläger trat am 1.3.2020 von der Reise zurück. Die Beklagte berechnete Stornokosten i.H.v. insgesamt 1.537 EUR (25 % des Reisepreises), die der Kläger bezahlte. Am 26.3.2020 erging für Japan ein Einreiseverbot. Der Kläger verlangte daraufhin die Rückzahlung des bereits geleisteten Betrags.
Das Amtsgericht hatte der Klage erstinstanzlich stattgegeben, das Berufungsgericht sie hingegen im Wesentlichen abgewiesen. Nach Auffassung des jetzt damit befassten BGH ist die entscheidende Rechtsfrage in Rechtsprechung und Literatur noch nicht abschließend geklärt. Sie hänge, so der Senat, von der Auslegung von Art. 12 Abs. 2 der Richtlinie (EU) Nr. 2015/2302 (Pauschalreise-Richtlinie) ab. Deshalb hat er die relevante Frage jetzt dem EuGH zur Klärung vorgelegt (Beschl. v. 2.8.2022 – X ZR 53/21).
Dem Vorlagebeschluss zufolge kommt es darauf an, ob die beklagte Reiseveranstalterin dem Anspruch des Klägers auf Rückzahlung des Reisepreises einen Anspruch auf Entschädigung nach § 651h Abs. 1 S. 3 BGB entgegenhalten kann. Einen solchen Entschädigungsanspruch sieht das Gesetz als regelmäßige Folge für den Fall vor, dass der Reisende vor Reisebeginn vom Vertrag zurücktritt. Der Anspruch ist allerdings nach § 651h Abs. 3 BGB ausgeschlossen, wenn am Bestimmungsort oder in dessen unmittelbarer Nähe unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände auftreten, die die Durchführung der Pauschalreise oder die Beförderung von Personen an den Bestimmungsort erheblich beeinträchtigen. In Instanzrechtsprechung und Literatur ist, so der BGH, allerdings umstritten, ob Umstände dieser Art bereits im Zeitpunkt des Rücktritts vorgelegen haben müssen, oder ob der Entschädigungsanspruch auch dann ausgeschlossen ist, wenn solche Umstände erst nach der Rücktrittserklärung aufgetreten sind.
Kommentatoren zufolge ist es der erste Corona-Fall im Reiserecht, der jetzt den BGH erreicht hat. Da man vermuten darf, dass es vielen Reisenden 2020 ähnlich ergangen ist wie dem Kläger im Ausgangsfall, dürfte für alle ebenfalls von Corona betroffene Urlauber interessant sein zu erfahren, wie der EuGH nun entscheiden wird.
[Quelle: BGH]