Die Teillegalisierung des Besitzes und Anbaus von Cannabis hat einen vermeintlichen Zeitgeist bedient und der Strafjustiz mangels Übergangsfristen erhebliche Mehrarbeit bereitet. So sind auf der Homepage des BGH gegenwärtig eine Vielzahl von Entscheidungen aufgeführt, die in der Sache an sich rechtlich zutreffende Entscheidungen der LG abändern oder gar zumindest teilweise aufheben und zurückverweisen müssen wegen der besagten Änderung. Ziel der nun erfolgten Festlegung des Grenzwertes auf 3,5 ng/ml ist, dass der Konsum von Cannabis und das Führen von Kfz im Straßenverkehr getrennt werden. Zugleich soll dies nicht mit einer Erhöhung der Sicherheit des Straßenverkehrs einhergehen (BT-Drucks 20/11370, S. 11).
Die Auswirkungen der hier vorgestellten Reform auf die Sicherheit des Straßenverkehrs bleibt abzuwarten. Zweifel sind angebracht (in diese Richtung auch Ternig, NZV 2024, 257 und treffend König, DAR 2024, 362, 370: „Auf solcher Basis kann man keine Gesetze machen, die dem Anspruch auf ein Mindestmaß an Seriosität genügen.”). Die Auswirkung des Konsums ist individuell unterschiedlich und abhängig von der Konsumfrequenz (Expertengutachten, S. 3). Das begünstigt subjektive Fehleinschätzungen der Auswirkungen des Konsums auf die eigene Fahruntüchtigkeit. Zweifelhaft erscheint daher insb. die Gleichstellung der Wirkung des Konsums von Alkohol und von Cannabis. Anders als beim Alkohol ist die Wirkung von Cannabis bzw. THC im Körper noch nicht abschließend erforscht (Koehl, SVR 2024, 162) und es gibt keine Konsummenge-Wirkungs-Relation. Zwar hat die Expertengruppe in ihrem Gutachten (S. 5) dargelegt, dass ein Wirkstoffgehalt von 2–5 ng/ml THC im Blutserum einer Beeinträchtigung für die Verkehrssicherheit von 0,2 Promille Blutalkohol entspricht. Allerdings sind der legale Konsum und Besitz von Alkohol in Deutschland eine lange Tradition mit der Folge, dass ein gesellschaftliches Bewusstsein dahingehend vorhanden ist, dass die Notwendigkeit der Trennung des Konsums von Alkohol und des Führens von Kfz besteht. Es steht zu befürchten, dass das Bewusstsein, dass der Besitz von Cannabis bis zu einer gewissen Menge erlaubt ist, jedenfalls für längere Zeit bei vielen Konsumenten die Vorstellung erweckt, nunmehr auch unter Einfluss von Cannabis fahren zu dürfen. Dies dürfte insb. jüngere Konsumentengruppen betreffen, wobei die Ausweitung des in § 24c StVG bestehenden Alkoholverbots auf Cannabis bei Fahranfängern dem zwar entgegenwirken soll, es aber auf einige Zeit fraglich ist, ob die Vorgabe auch zu diesem Personenkreis durchdringt.
Dabei spielt auch eine Rolle, dass über die letzten 20 Jahre nach der Erfahrung des Verfassers eine deutliche Steigerung des Wirkstoffgehaltes von Cannabis festzustellen ist. War damals bei Besitz oder Handeltreiben ein Wirkstoffgehalt von 5–10 % üblich, hat sich dieser zwischenzeitlich im Durchschnitt auf 10–20 % erhöht („Haze”). Damit besteht allerdings auch ein erhöhtes Risiko der Selbstüberschätzung bei der Beurteilung der Auswirkungen des Konsums auf die Verkehrstüchtigkeit, insb. bei Fahrten, die längere Zeit nach dem Konsum durchgeführt werden. Insofern wird sich eine Risikoerhöhung für die Straßenverkehrssicherheit ergeben.
Auch erfordert der neue Grenzwert entsprechende Ahndungsmöglichkeiten bei den Verfolgungsbehörden, kombiniert mit einem entsprechenden Verfolgungsdruck. Zwar berechtigt in einer Anhaltesituation das Vorliegen von körperlichen oder fallbezogenen Ausfallerscheinungen zu der Anordnung einer entsprechenden Blutprobe. Sind solche Ausfallerscheinungen allerdings nicht vorhanden, sollen entsprechende Speicheltests mit hoher Empfindlichkeit als Vorscreening die Grundlage für eine mögliche Blutentnahme bilden. Insofern handelt es sich aber um einen Scheck auf die Zukunft, da solche Speicheltests noch nicht flächendeckend vorhanden (BT-Drucks 20/11370, S. 11) und die üblichen Urintests nicht geeignet sind (Sobota, NJW 2024, 1217, 1221).
ZAP F., S. 833–840
Von Dr. Axel Deutscher, RiAG, Bochum