Zusammenfassung
Der folgende Beitrag erläutert die vom Bundesgesetzgeber für notwendig und sinnvoll erachtete Teillegalisierung des Besitzes und Konsums von Cannabis zum 1.4.2024, die zu einer Neubewertung der rechtlichen Folgen des Führens eines Fahrzeuges unter dem Einfluss von Cannabis geführt hat (zum CanG Hillenbrand, StRR 5/24, 5; Sobota, NJW 2024, 1217; zu den Auswirkungen auf den Straßenverkehr Burhoff, VRR 5/2024, 8. Die Verteidigung in straf- und bußgeldrechtlichen Verfahren und die Vertretung im Fahrerlaubnisrecht unter den neuen Vorgaben behandeln Staub/Dronkovic, DAR 2024, 410).
I. Ausgangspunkt
§ 44 KCanG sieht vor, dass eine vom Bundesverkehrsminister eingesetzte Arbeitsgruppe bis zum 31.3.2024 (also noch vor dem Inkrafttreten des Gesetzes) den Wert einer Konzentration von Tetrahydrocannabinol (THC) im Blut vorzuschlagen habe, bei dessen Erreichen nach dem Stand der Wissenschaft das sichere Führen eines Kfz im Straßenverkehr regelmäßig nicht mehr gewährleistet ist. Diese Expertenkommission hat einen gesetzlichen Wirkungsgrenzwert von 3,5 ng/ml THC im Blutserum vorgeschlagen. Nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft seien bei diesem Wert verkehrssicherheitsrelevante Auswirkungen auf das Führen eines Kfz nicht fernliegend, aber deutlich unterhalb der Schwelle, ab welcher ein allgemeines Unfallrisiko beginnt. Dieser Grenzwert sei vergleichbar mit einer Blutalkoholkonzentration von 0,2 Promille.
Durch das Sechste Gesetz zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes und weiterer straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften (BGBl 2023 I Nr. 315, 236 BGBl 2024 I Nr. 109, BT-Drucks 20/11370) wird dieser vorgeschlagene Grenzwert gesetzlich umgesetzt. Im Folgenden werden die wesentlichen materiellen Änderungen dargestellt.
II. Drogenfahrt (§ 24a StVG)
1. Bisherige Fassung
a) Tatbestand (Cannabis)
Nach § 24a Abs. 2 StVG in der bisherigen Fassung handelt ordnungswidrig, wer unter der Wirkung eines der in der Anlage zu der Vorschrift genannten berauschenden Mittels im Straßenverkehr ein Kfz führt, wobei eine solche Wirkung vorliegt, wenn eine in dieser Anlage genannte Substanz im Blut nachgewiesen wird (näher Deutscher, VRR 2011, 8). Anders als bei den Straftatbeständen der §§ 315c Abs. 1 Nr. 1a, 316 StGB genügt nicht jedes berauschende Mittel zur Erfüllung des Tatbestands, sondern nur die in der Anlage zu der Vorschrift aufgeführten Mittel bzw. Wirkstoffsubstanzen, zu denen auch Cannabis bzw. THC zählt. Grenzwerte werden anders als bei der Alkoholfahrt nach § 24a Abs. 1 StVG nicht vorgegeben. Die hiernach vom Tatbestand her geltende Nullwertgrenze hat das BVerfG (NJW 2005, 349 = VRR 2005, 34 [Lorenz]) relativiert. Die Vorschrift sei im Wege der verfassungskonformen Auslegung dahin zu verstehen, dass nicht jeder Nachweis eines berauschenden Mittels (hier THC) im Blut des Betroffenen für die Tatbestandserfüllung ausreicht. Es müsse vielmehr eine Konzentration festgestellt werden, die es als möglich erscheinen lässt, dass der Verkehrsteilnehmer in seiner Fahrtüchtigkeit eingeschränkt war. Dies setze eine THC-Konzentration deutlich oberhalb des Nullwerts voraus.
Die OLG haben diese Entscheidung des BVerfG umgesetzt und dabei auf die sog. analytischen Grenzwerte abgestellt, die von der Grenzwertekommission empfohlen werden. Bei Cannabis wurde dieser Wert auf 1 ng/ml festgelegt (etwa OLG Hamm, Beschl. v. 3.5.2005 – 4 Ss OWi 215/05, NJW 2005, 3298 = VRR 2005, 196 [Lorenz]; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 29.1.2007 – 3 Ss 205/06, NZV 2007, 248 = VRR 2007, 273 [Böhm]; OLG Celle, Beschl. v. 9.12.2008 – 322 SsBs 247/08, NZV 2009, 89). Mehrheitlich haben die OLG dies allerdings nicht als zwingenden Grenzwert, sondern lediglich als Richtwert verstanden, der nicht ausschließt, auch bei einer geringeren Konzentration eine „Wirkung” i.S. einer eingeschränkten Fahrtüchtigkeit etwa bei drogenbedingten Ausfallerscheinungen anzunehmen (OLG Hamm, Beschl. v. 19.3.2007 – 2 Ss OWi 91/07, NZV 2007, 248; OLG Bamberg, Beschl. v. 27.2.2007 – 3 Ss OWi 688/2005, DAR 2007, 272, 274 m. Anm. Krause = VRR 2007, 270 [Gieg]).
b) Auffangfunktion
Der Drogenfahrt nach § 24a Abs. 2 StVG kommt eine besondere Auffangfunktion (§ 21 Abs. 1 S. 1 OWiG) gegenüber den Straftatbeständen der §§ 315c Abs. 1 Nr. 1a, 316 StGB zu. Seit BGHSt 44, 219 (= NJW 1999, 226) ist anerkannt, dass gegenwärtig bei Drogenfahrten eine absolute Fahruntüchtigkeit i.S. dieser Strafnormen mangels entsprechender, wissenschaftlich abgesicherter Wirkstoffgrenzwerte anders als beim Alkoholkonsum nicht bestimmbar ist. Für die hiernach als einzig möglich verbleibende relative Fahruntüchtigkeit bedarf es neben der Feststellung des Drogenkonsums zusätzlich des V...