Zusammenfassung
Hinweis:
Der Beitrag umfasst zwei Teile: Der erste Teil befasst sich mit dem Schenkungsbegriff und der Absicherung des Schenkenden sowie mit den vertraglichen und gesetzlichen Rückforderungsrechten. Der zweite Teil (demnächst in ZAP F. 12) stellt die Absicherung von Ehegatten und weichenden Geschwistern sowie das Pflichtteilsrecht und das Schenkungsteuerrecht dar. Die Verfasser geben hilfreiche Hinweise und Praxistipps für das erbrechtliche Mandat und die anwaltliche Beratung zur Vermögensnachfolge i.R.d. vorweggenommenen Erbfolge.
I. Einleitung
Der Begriff der vorweggenommenen Erbfolge wird im Gesetz nicht näher definiert. Die Rechtsprechung versteht hierunter die Übertragung des Vermögens (oder eines wesentlichen Teils davon) durch den (künftigen) Erblasser auf einen oder mehrere als (künftige) Erben in Aussicht genommene Empfänger (BGH, Urt. v. 30.1.1991 – IV ZR 299/89, NJW 1991, 1345). Daher kann die vorweggenommene Erbfolge als Kern einer geordneten, frühzeitigen und steueroptimierten Vermögensnachfolgeregelung angesehen werden. Die lebzeitige Übertragung von Vermögenswerten ist mit einer Verfügung von Todes wegen abzustimmen. Dies bietet dem Verfügenden mehrere Vorteile:
- Einsparung/Reduzierung von Erbschaft- und Schenkungsteuer,
- Vermeidung einer zerstrittenen Erbengemeinschaft im Erbfall,
- Altersversorgung durch den Vorbehalt von Nutzungsrechten oder Unterhalts- und/oder Pflegeleistungen,
- Vermeidung/Reduzierung von Pflichtteilsansprüchen,
- Erhalt des Vermögens in der Familie.
Der Beitrag zeigt die klassischen Wünsche und Bedürfnisse von Verfügenden auf sowie die dazugehörigen Gestaltungsoptionen, um lebzeitig in Abstimmung mit einer Verfügung von Todes wegen Vermögensgegenstände, wie z.B. Grundstücke steueroptimiert auf die nächsten Angehörigen zu übertragen. Alternative Gestaltungsmöglichkeiten wie die Errichtung einer Familiengesellschaft oder einer Familienstiftung sowie die Unternehmensnachfolge bleiben unberücksichtigt.
II. Schenkungsbegriff
Die vorweggenommene Erbfolge erfolgt klassisch durch ein Rechtsgeschäft zu Lebzeiten. Die Einordnung dieses Rechtsgeschäfts als entgeltlich bzw. unentgeltlich ist maßgeblich für die Entwicklung eines Gestaltungskonzepts unter Berücksichtigung des Pflichtteils- und Steuerrechts. Dem Beitrag werden daher die unterschiedlichen Schenkungsbegriffe zunächst abstrakt vorangestellt.
1. Schenkung
Gemäß § 516 Abs. 1 BGB ist eine Schenkung eine Zuwendung, durch die jemand aus seinem Vermögen einen anderen bereichert, wenn beide Teile darüber einig sind, dass die Zuwendung unentgeltlich erfolgt. Insoweit setzt ein Schenkungsvertrag in ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH):
Zitat
„(...) objektiv eine durch die Erfüllung des Vertrages bewirkte Entreicherung des Schenkers und eine sich daraus ergebende Bereicherung des Beschenkten, mithin eine auf dem Schenkervermögen beruhende Mehrung des Vermögens des Beschenkten, sowie subjektiv die Übereinstimmung der Beteiligten voraus, dass diese Zuwendung unentgeltlich erfolgen, die Vermögensmehrung des Beschenkten mithin nicht (vollständig) durch eine Gegenleistung an den Schenker ausgeglichen werden soll.” (BGH, ZEV 2021, 264, 265)
Unentgeltlich im o.g. Sinne ist die Schenkung, wenn die Zuwendung nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts weder von einer Gegenleistung rechtlich abhängen soll noch sonst zur Tilgung einer Verbindlichkeit bestimmt ist (Müko/Koch, § 516 BGB, Rn 24).
Hinweis:
Die Übernahme von Beurkundungskosten des Notars durch den Beschenkten führt nicht zur Entgeltlichkeit der Schenkung. Gleiches gilt für die etwaige Übernahme von Belastungen des Grundbesitzes in Abteilung II und III des Grundbuchs. Diese reduzieren lediglich den Schenkungswert (BGH, NJW 1989, 2122).
Die Zuwendung muss subjektiv nach dem Willen der Parteien als unentgeltlich gewollt sein. Dies ist der Fall, wenn einvernehmlich auf eine nicht bestehende Verbindlichkeit geleistet wird. Die Feststellung ist anhand einer Parallelwertung in der Laiensphäre festzustellen. In den Grenzen von §§ 685 Abs. 2, 1620 BGB besteht eine Vermutung für den Schenkungscharakter auch unter nahen Angehörigen (BGH, NJW 1995, 1349, Müko/Koch, § 516 BGB, Rn 24). Zudem streitet bei einem auffälligen Missverhältnis zwischen dem wirklichen Wert der Leistung und der Gegenleistung eine tatsächliche Vermutung für eine Einigung über die Unentgeltlichkeit (BGH, NJW 1972, 1709).
2. Gemischte Schenkung
Eine gemischte Schenkung liegt vor, sofern die Leistung des Schenkers den Wert der versprochenen Gegenleistung objektiv überwiegt und sich die Parteien darüber einig sind, dass die Wertdifferenz unentgeltlich zugewendet werden soll. Aus der Sicht der Parteien ist zu prüfen, ob diese sich einer Wertdifferenz zwischen den beiden Leistungsseiten bewusst und sich insoweit darüber einig waren, zumindest den überschießenden Leistungsteil dem Beschenkten unentgeltlich zuzuwenden, mithin die Gegenleistung nicht lediglich ein gewollt günstiger Preis sein sollte (BGH, ZEV 2012, 110). Beispielweise können bei einer Grundstücksübertragung als Gegenleistung offene Forderun...