Eine in der Praxis häufig zu findende Vereinbarung sieht vor, dass ein Abwicklungsvertrag für den Arbeitnehmer die Möglichkeit vorsieht, nach seiner Wahl, sein vorzeitiges Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis zu erklären, sog. Turboklausel. Eine solche Erklärung bedarf gem. § 623 BGB zwingend der gesetzlichen Schriftform (BAG, Urt. v. 17.12.2015 – 6 AZR 709/14, NZA 2016, 361). Ein Telefax genügt dem nicht.
Dem lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Parteien streiten um den Zeitpunkt der Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses. Nach der Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch die Arbeitgeberin haben die Parteien in einem Kündigungsschutzprozess einen Abfindungsvergleich abgeschlossen. Dieser räumte der Klägerin das Recht zum vorzeitigen Ausscheiden vor Ablauf der Kündigungsfrist ein. Das vorzeitige Ausscheiden sollte mit einer Ankündigungsfrist von drei Tagen schriftlich gegenüber der Beklagten angezeigt werden. Für diesen Fall war eine Erhöhung der vereinbarten Abfindung abhängig vom Umfang der eingesparten Gehälter vorgesehen (sog. Turboklausel).
Von diesem Recht hat die Klägerin durch eine per Telefax an die Beklagte übermittelte Erklärung ihres Prozessbevollmächtigten Gebrauch gemacht, nachdem sie drei Monate vor Ablauf der Kündigungsfrist ein neues Arbeitsverhältnis gefunden hatte. Die Beklagte hält die per Telefax übermittelte Erklärung für unwirksam.
Das BAG wies die Klage ab. Ein Vergleich im Kündigungsschutzprozess, wonach der Arbeitnehmer die Kündigung des Arbeitgebers gegen Zahlung einer Abfindung akzeptiert und in dem die Parteien die Modalitäten des Ausscheidens regeln, ist ein Abwicklungsvertrag, der nicht der Schriftform nach § 623 BGB bedarf, weil er keine Beendigung herbeiführt, sondern nur eine bereits durch Kündigung gestaltete Beendigung regelt. Wenn allerdings der Zeitpunkt eines vorzeitigen Austritts durch eine Erklärung des Arbeitnehmers fixiert werden soll, handelt es sich bei dieser Erklärung um eine arbeitnehmerseitige Kündigung, die ihrerseits dem Schriftformzwang des § 623 BGB unterliegt. Das Erfordernis der eigenhändigen Unterschrift nach § 126 Abs. 1 BGB mit der damit verbundenen Identitäts-, Echtheits- und Verifikationsfunktion ist auch bei der Vorverlegung des Austrittstermins von uneingeschränkter Relevanz.
Eine per Telefax übermittelte Kündigungserklärung genügt den Anforderungen des § 623 BGB i.V.m. § 126 BGB nicht und ist daher gem. § 125 S. 1 BGB nichtig. Sonderregelungen, wonach die Übermittlung von Prozesserklärungen per Telefax ausreichend ist, kommen im Rahmen der materiell-rechtlichen Formvorschrift des § 623 BGB nicht zum Tragen. Die Berufung der Beklagten auf das Formerfordernis wäre nur dann wegen Verletzung des Gebots von Treu und Glauben nach § 242 BGB ganz ausnahmsweise unbeachtlich, wenn dies in hohem Maße als widersprüchlich zum früheren Verhalten erschiene.
Hinweise:
Das Urteil ist von großer praktischer Bedeutung für viele gerichtliche und außergerichtliche Vergleiche.
- Soll durch einen Aufhebungsvertrag, eine Beendigungserklärung oder einen Vergleich die Rechtsfolge der Beendigung des Arbeitsverhältnisses geregelt werden, unterliegt diese jeweilige Erklärung der Formvorschrift des § 623 BGB i.V.m. § 126 Abs. 1 BGB.
- Tritt die Beendigungswirkung durch die ausgesprochene Kündigung, Befristung oder den streitigen Aufhebungsvertrag ein, handelt es sich bei der Einigung um einen Abwicklungsvertrag, auch wenn die Vereinbarung in Form eines Prozessvergleichs erfolgt.
- Ein vorzeitiger Austritt – wie er häufig nach Wahl des Arbeitnehmers geregelt wird – kann nur durch eine formwirksame rechtsgestaltende Willenserklärung herbeigeführt werden.
- Dies wird auch für sog. Sprinterprämien in Sozialplänen gelten, weil die gesetzliche Schriftform gem. § 623 BGB zwingend ausgestaltet ist und nicht zur Disposition von Arbeitgebern und Betriebsräten steht.
- Ob und wann ein "venire contra factum proprium" oder ein "schlechthin unerträgliches Ergebnis" i.S.d. § 242 BGB zu bejahen sein könnte, wenn der Arbeitgeber etwa in einem Sozialplan dem vorzeitigen Ausscheiden zugestimmt hat, ist nicht geklärt. Das BAG gibt aber einen Anhaltspunkt. Während der BGH eine formfrei mögliche Ausübung eines Optionsrechts zum Erwerb eines Grundstücks bei formwirksamer Vereinbarung des Optionsrechts bejaht (vgl. BGH, Urt. v. 12.5.2006 – V ZR 97/05, NJW 2006, 2843), verneint das BAG eine parallele Interessenlage. Es fehle insbesondere an einer Vergleichbarkeit der Situationen, da ein dem § 311b Abs. 1 BGB (§ 313 Abs. 1 BGB a.F.) vergleichbarer Schutz mangels zwingender notarieller Beurkundung mit entsprechender Belehrung im Arbeitsrecht nicht besteht.
Zuletzt besteht ein Kündigungsfristenproblem: Die gesetzliche Grundkündigungsfrist von vier Wochen gem. § 622 Abs. 1 BGB ist grundsätzlich individualvertraglich nicht abdingbar. Sie ist Mindestkündigungsfrist, die weder zu Lasten des Arbeitgebers noch zum Vorteil des Arbeitnehmers einzelvertraglich verkürzt werden kann (Kittner/Däubler/Zwanziger/Zwanziger, KSchR, 9. A...