Seit der Einführung des § 311a BGB kommt auch die Verurteilung zur Abgabe einer Willenserklärung in Betracht, die auf einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum gerichtet ist. Nach § 275 Abs. 1 BGB ist der Anspruch auf die Leistung zwar ausgeschlossen, soweit diese für den Schuldner oder jedermann unmöglich ist. Im Unterschied zum alten Recht ist in § 311a Abs. 1 BGB allerdings klargestellt, dass ein Vertrag selbst dann nicht nichtig ist, wenn er in der Vergangenheit tatsächlich nicht durchgeführt werden kann. Daher ist die rückwirkende Begründung eines Arbeitsverhältnisses durch Urteil, die mit der Fiktion der Abgabe einer Willenserklärung erfolgen soll, zulässig. Ausgeschlossen ist lediglich eine gerichtliche Entscheidung, mit der ein Arbeitsverhältnis mit Rückwirkung zu einem Zeitpunkt vor Abgabe des Angebots begründet werden soll (BAG, Urt. v. 9.2.2011 – 7 AZR 91/10, AP Nr. 52 zu § 307 BGB; BAG, Urt. v. 15.10.2013 – 9 AZR 572/12, ZTR 2014, 352; BAG, Urt. v. 13.6.2012 – 7 AZR 647/10, juris). Der Fünfte Senat des BAG (Urt. v. 19.8.2015 – 5 AZR 975/13, NZA 2015, 1360) beantwortet nun die Frage, ob bei rückwirkender Begründung eines Arbeitsverhältnisses ein Anspruch des Arbeitnehmers auf Annahmeverzug nach § 615 S. 1 BGB besteht und verneint diese (bejahend: Bauer/Heimann ArbRB 2015, 423; krit. zu § 326 BGB auch Schwarze JA 2016, 390).
Im entschiedenen Fall war die Klägerin bis zum Ende des Jahres 1986 bei der Beklagten beschäftigt. Mit Wirkung vom 1.1.1987 ging ihr Arbeitsverhältnis im Wege eines Betriebsübergangs auf eine neu gegründete Gesellschaft, die C. GmbH, über. Die Beklagte garantierte ihr ein Rückkehrrecht. Über das Vermögen der C. GmbH wurde am 1.10.2009 das Insolvenzverfahren eröffnet, worauf der Klägerin wegen Betriebsschließung zum 31.1.2010 gekündigt wurde. Die Klägerin machte ihr Rückkehrrecht gegenüber der Beklagten gerichtlich geltend. Die Beklagte lehnte den Abschluss eines Arbeitsvertrags unter Berufung auf das Urteil des BAG vom 19.10.2005 (7 AZR 32/05) in einem nach ihrer Auffassung vergleichbaren Fall ab. Das LAG verurteilte die Beklagte rechtskräftig dazu, das Angebot der Klägerin auf Abschluss eines Arbeitsvertrags ab dem 1.2.2010 bis zum 31.5.2010 anzunehmen (die Klägerin ging am 1.6.2010 in Rente).
Die Klägerin begehrt mit ihrer Klage rückständiges Arbeitsentgelt für die Zeit ab dem 1.2.2010, dem Datum der rechtskräftigen Entscheidung zum Abschluss des Arbeitsvertrags. Während die Vorinstanzen der Klage stattgaben, wies der Fünfte Senat des BAG die Klage auf die Revision der Arbeitgeberin ab. Ein Anspruch auf Vergütung wegen Annahmeverzugs besteht nicht. Dieser setzt ein tatsächlich durchführbares Arbeitsverhältnis voraus. Ein rückwirkend begründetes Arbeitsverhältnis ist für in der Vergangenheit liegende Zeiträume nicht tatsächlich durchführbar. Dogmatisch schuldet die Arbeitgeberin Zahlung nur Zug um Zug gegen Erbringung der Arbeitsleistung. § 615 S. 1 hält allein den bestehenden Anspruch aus § 611 Hs. 2 BGB aufrecht. Für die Vergangenheit besteht jedoch kein Vergütungsanspruch, weil die Arbeitsleistung tatsächlich nicht erbracht wurde und weil sie wegen des Fixschuldcharakters des Arbeitsverhältnisses auch nicht nachholbar ist. Die Beklagte schuldet die Vergütung auch nicht nach § 326 Abs. 2 S. 1 Alt. 1 BGB, weil sie die Unmöglichkeit der Erbringung der Arbeitsleistung für die Vergangenheit nicht zu verantworten hatte. Die Beklagte habe sich, so der Fünfte Senat, in einem entschuldbaren Rechtsirrtum befunden.
Hinweise:
- Die Vorinstanz, das LAG Rheinland-Pfalz (Urt. v. 2.9.2013 – 5 Sa 233/13), war davon ausgegangen, dass nach der Verurteilung zum Abschluss eines Arbeitsvertrags ein erfüllbares Arbeitsverhältnis vorliege und ein tatsächliches Angebot entbehrlich sei, jedenfalls die §§ 293, 615 BGB analog auf § 311a BGB anzuwenden seien. Dem folgt das BAG nicht! Der Anspruch auf Vergütung wegen Annahmeverzugs setzt – so der Fünfte Senat – ein erfüllbares, d.h. tatsächlich durchführbares Arbeitsverhältnis voraus. Bei rückwirkender Begründung des Arbeitsverhältnisses liegt ein solches für den vergangenen Zeitraum nicht vor. Das ist dogmatisch konsequent. Liegt kein Vergütungsanspruch vor, so kann auch kein Annahmeverzugslohnanspruch vorliegen, weil § 615 S. 1 BGB den Anspruch nach § 611 BGB voraussetzt.
Die Ausführungen zum Schadensersatzanspruch sind dagegen in der Subsumtion wenig überzeugend, weil ein Rechtsirrtum eher selten sein dürfte. Nach ständiger Rechtsprechung des BAG meint verantwortlich i.S.d. § 326 Abs. 2 S. 1 Alt. 1 BGB "Vertretenmüssen" i.S.d. §§ 276, 278 BGB, d.h. mindestens fahrlässiges Handeln. An einen unvermeidbaren Rechtsirrtum sind strenge Anforderungen zu stellen, weil der Geltungsanspruch des Rechts verlangt, dass der Schuldner das Risiko seines Rechtsirrtums selbst trägt. Beruht die Ungewissheit über das Verschulden auf rechtlichen Zweifeln des Schuldners (sog. Rechtsirrtum), ist dieser nur entschuldbar, wenn:
- die Rechtslage objektiv zweifelhaft ist und
- der Sch...