§ 17 S. 2 MuSchG und § 17 Abs. 2 BEEG, wonach die Arbeitnehmer(in) den vor Beginn der Beschäftigungsverbote oder der Elternzeit nicht oder nicht vollständig erhaltenen Erholungsurlaub auch noch nach Ablauf der Verbotszeit bzw. der Elternzeit im laufenden Jahr oder im Folgejahr nehmen kann, regeln im Folgejahr den Begriff des "Urlaubsjahres" i.S.d. § 7 Abs. 3 S. 1 BUrlG. Sie verlängern nicht den Übertragungszeitraum des § 7 Abs. 3 S. 3 BUrlG. § 17 Abs. 2 MuSchG und § 17 Abs. 2 BEEG bestimmen jeweils eine Ausnahme von § 7 Abs. 3 S. 1 BUrlG. Der Urlaub muss nicht im "laufenden" Kalenderjahr gewährt und genommen werden. Er kann auch im Folgejahr genommen werden, dann aber ist das Folgejahr das maßgebliche Urlaubsjahr für das urlaubsrechtliche Fristenregime des § 7 Abs. 3 BUrlG. Kann der Urlaub infolge arbeitsunfähiger Erkrankung oder aus betrieblichen Gründen nicht bis zum 31. Dezember des Urlaubsjahres genommen werden, so wird er bis zum 31. März des Folgejahres übertragen (BAG, Urt. v. 15.12.2015 – 9 AZR 52/15, ZAT 2016, 69 m. Anm. 71).
Einzelvertraglich kann der gesetzliche Urlaubsanspruch nicht von der Zustimmung des Arbeitgebers oder seines Betriebsleiters abhängig gemacht werden, § 13 Abs. 1 S. 3 BUrlG. Ein einheitlicher Zustimmungsvorbehalt ohne Differenzierung nach Mindesturlaub und Mehrurlaub stellt eine unangemessene Benachteiligung i.S.d. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB dar und ist deshalb unwirksam.
Sachverhalt: Die Parteien streiten über die Abgeltung von 30 Urlaubstagen aus dem Jahr 2011 im Wert von 3.713,26 EUR, welchen die Klägerin am 12.4.2012 verlangte. Die Klägerin war bei der Beklagten vom 1.5.2008 bis zum 8.1.2014 beschäftigt. Ziff. 3 des "Anstellungsvertrags" vom 22.4.2008 lautet: "Urlaub – Die Mitarbeiterin hat Anspruch auf bezahlten Urlaub von 30 Arbeitstagen pro Kalenderjahr. Der Urlaub soll der Erholung dienen und im Laufe des Kalenderjahres genommen werden. Eine Übertragung des Urlaubs über den 31. Dezember eines Jahres hinaus bedarf der Zustimmung des Betriebsleiters, im Übrigen gelten die gesetzlichen Bestimmungen." Vom 21.2.–7.4.2011 war die Klägerin arbeitsunfähig krank. Ab dem 8.4.2011 unterlag sie Beschäftigungsverboten: zunächst gem. § 3 Abs. 1 MuSchG, dann ab dem 28.10.2011 gem. § 3 Abs. 2 MuSchG; nach der Geburt ihres Kindes am 10.12.2011 folgte das Beschäftigungsverbot des § 6 Abs. 1 MuSchG. Nahtlos anknüpfend, beanspruchte die Klägerin für ein Jahr – bis zum 10.12.2012 – Elternzeit. Nach dieser war sie jedenfalls bis zum 31.12.2013 durchgehend arbeitsunfähig krank. Die Beklagte galt den Urlaub der Klägerin aus den Jahren 2012 und 2013 ab. Dem Urlaubsanspruch des Jahrs 2011 trat die Beklagte entgegen, er sei verfallen. Zwar sei er gem. § 17 S. 2 MuSchG bzw. § 17 Abs. 2 BEEG bis zum 31.12.2013 übertragen worden. Eine weitere Übertragung des Urlaubs aufgrund der Arbeitsunfähigkeit der Klägerin sei nicht erfolgt. Jedenfalls könne die Klägerin nur die Abgeltung des gesetzlichen Mindesturlaubs von 20 Tagen verlangen, weil Ziff. 3 des "Anstellungsvertrags" ein eigenständiges Fristenregime für den Urlaubsanspruch und seine Übertragung vorsehe.
Die Klage hat in allen drei Instanzen Erfolg, weshalb die Beklagte nach § 7 Abs. 4 BUrlG verpflichtet ist, 30 Urlaubstage der Klägerin aus dem Jahr 2011 i.H.v. 3.713,26 EUR brutto abzugelten. Die Klägerin hatte nach § 4 BUrlG i.V.m. Ziff. 3 des Arbeitsvertrags im Jahr 2011 Anspruch auf 30 Urlaubstage. Der Urlaubsanspruch entstand trotz ihrer zeitweiligen Arbeitsunfähigkeit und der Beschäftigungsverbote. Er hing allein vom rechtlichen Bestand des Arbeitsverhältnisses ab. § 17 S. 1 MuSchG stellt klar, dass durch mutterschutzrechtliche Beschäftigungsverbote bedingte Ausfallzeiten sich nicht nachteilig auf den gesetzlichen Urlaubsanspruch auswirken dürfen.
Da sie nach dem Ende der Elternzeit am 10.12.2012 jedenfalls bis zum 31.12.2013 arbeitsunfähig krank war, verfiel der Urlaubsanspruch nicht mit Ablauf des Urlaubsjahres 2013, sondern wurde nach § 7 Abs. 3 S. 2, 3 BUrlG zumindest bis zum 31.3.2014 übertragen. Der in § 17 MuSchG genannte Begriff "mutterschutzrechtliche Beschäftigungsverbote" macht deutlich, dass die Regelung für alle generellen und individuellen Beschäftigungsverbote – sei es nach §§ 3 Abs. 2, 6 Abs. 1 MuSchG, sei dies nach § 3 Abs. 1 MuSchG – gilt.
Zudem waren die Voraussetzungen des § 17 Abs. 2 BEEG erfüllt, weil sich an das letzte im Jahr 2012 endende Beschäftigungsverbot nach § 6 Abs. 1 MuSchG nahtlos die Elternzeit der Klägerin anschloss.
Hinweise:
- Nach § 17 S. 2 MuSchG kann die Arbeitnehmerin den vor Beginn der Beschäftigungsverbote nicht oder nicht vollständig erhaltenen Erholungsurlaub auch noch nach Ablauf der Verbote im laufenden Jahr oder im Folgejahr in Anspruch nehmen. § 17 Abs. 2 MuSchG umfasst alle Beschäftigungsverbote – gleich ob individuell oder generell. Er setzt voraus, dass der Urlaubsanspruch nach Beendigung des Beschäftigungsverbots oder der Beschäftigungsverbote erfüllbar ist.
- Schließt sich an ein Beschäftigungsverbot eine...