Keine Anrechnung eines vorausgegangenen Praktikums auf die Probezeit im Berufsausbildungsverhältnis
Erstmals hat das BAG zu dem Verhältnis eines vorausgegangenen Praktikums zu einem sich unmittelbar anschließenden Ausbildungsverhältnis entschieden. Mit Urteil vom 19.11.2015 (6 AZR 844/14, NZA 2016, 228) schafft der Sechste Senat nun Klarheit. Aufgrund der Spezifika des Ausbildungsverhältnisses ist ein vorangegangenes Praktikum nicht anzurechnen.
Dem lag folgende Sachverhalt zu Grunde: Der Kläger bewarb sich im Frühjahr 2013 bei der beklagten Ausbilderin um eine Ausbildung zum Kaufmann im Einzelhandel. Die Beklagte versprach ihm die Aufnahme der Ausbildung zum 1.8.2013. Zur Überbrückung schlossen die Parteien einen "Praktikantenvertrag" mit einer Laufzeit bis zum 31.7.2013. Nach dem gesonderten Berufsausbildungsvertrag begann anschließend die Ausbildung mit einer Probezeit von drei Monaten. Mit Schreiben vom 29.10.2013, welches dem Kläger am gleichen Tag zuging, kündigte die Beklagte das Berufsausbildungsverhältnis während der vereinbarten Probezeit zum 29.10.2013. Der Kläger hält die Kündigung für unwirksam. Die Probezeit sei abgelaufen, weil das vorausgegangene Praktikum auf die Probezeit anzurechnen sei.
Die Klage hatte keinen Erfolg. Das Berufsausbildungsverhältnis konnte während der Probezeit gem. § 22 Abs. 1 BBiG ohne Einhalten einer Kündigungsfrist gekündigt werden. Das BAG vergleicht ein vorangegangenes Arbeitsverhältnis mit dem vorangegangenen Praktikum und behandelt beide gleich (zum vorangegangenen Arbeitsverhältnis: BAG, Urt. v. 16.12.2004 – 6 AZR 127/04). Praktikum und Ausbildungsverhältnis unterschieden sich nach dem Gesetz. Weder seien Zeiten nach § 26 BBiG, noch solche anderer Maßnahmen, beispielsweise nach § 54a SGB III, welche ebenfalls auf die Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten ausgerichtet seien, auf die Probezeit nach § 20 BBiG anzurechnen. Für anerkannte Ausbildungsberufe schließe § 4 Abs. 2 BBiG ausdrücklich die Vereinbarung anderer Vertragsverhältnisse i.S.d. § 26 BBiG aus. Auch durch das MiLoG habe sich an der Unterscheidung zwischen Praktikum und Ausbildungsverhältnis nichts geändert. § 20 S. 1 BBiG ordne zwingend an, dass das Berufsausbildungsverhältnis mit einer Probezeit beginnt. Diese müsse mindestens einen Monat und dürfe höchstens vier Monate betragen. Beide Vertragspartner sollen damit ausreichend Gelegenheit haben, die für die Ausbildung im konkreten Ausbildungsberuf wesentlichen Umstände eingehend zu prüfen. Dies sei nur unter den Bedingungen des Berufsausbildungsverhältnisses mit seinen spezifischen Pflichten möglich. Dem Bedürfnis, vorangegangene Zeiten anzurechnen, könne in der Praxis hinreichend durch die Vereinbarung der Mindestprobezeit von einem Monat Rechnung getragen werden. Die Dauer eines vorausgegangenen Praktikums sei deshalb nicht auf die Probezeit in einem folgenden Berufsausbildungsverhältnis anzurechnen. Auf den Inhalt und die Zielsetzung des Praktikums kommt es nicht an.