Während nach § 61 VVG a.F. Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit gleichermaßen zur völligen Leistungsfreiheit des Versicherers führten, ist der Versicherer nach § 81 Abs. 2 VVG bei grober Fahrlässigkeit berechtigt, "seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis zu kürzen". Da es sich bei der groben Fahrlässigkeit um einen subjektiven Risikoausschluss handelt, trägt der Versicherer die Beweislast für die Schwere der Schuld und für den Umfang der Leistungskürzung (Prölss/Martin/Armbrüster, a.a.O., § 81 Rn 67 ff. m.w.N.). Es ist davon auszugehen, dass die Versicherer im Regelfall die Hälfte der Entschädigungsleistung erbringen, es sind aber auch Kürzungen bis auf Null ebenso denkbar wie eine vollständige Schadensregulierung, wenn die grobe Fahrlässigkeit sich im Randbereich der einfachen Fahrlässigkeit bewegt.
§ 81 Abs. 2 VVG entspricht der Regelung in der Schweiz (Art. 14 Abs. 2 Schweizerisches VVG); dort bewegen sich die Kürzungen bei grober Fahrlässigkeit in einem Bereich von 30 %, lediglich bei alkoholbedingter Fahruntüchtigkeit werden höhere Kürzungen vorgenommen (Rixecker zfs 2007, 15, 16).
Es ist davon auszugehen, dass in der Rechtsprechung auf Dauer durch Kasuistik eine Tabelle entwickelt wird, wie es sie bereits zu Haftungsquoten bei Verkehrsunfällen und Schmerzensgeld gibt.
Rechtsprechungsübersicht zum VVG 2008:
- Ein Abzug von 75 % ist zulässig, wenn der Versicherungsnehmer einem erkennbar alkoholbedingt fahruntüchtigen Fahrer das versicherte Fahrzeug überlässt (LG Bonn, 10 O 115/09, DAR 2010, 24),
- bei einem Rotlichtverstoß ist eine Kürzung auf 50 % der Versicherungsleistung angemessen (OLG Koblenz, 2 U 1021/09, r+s 2012, 431; LG Münster, 15 O 141/09, zfs 2009, 641 = VersR 2009, 1615 = DAR 2009, 705 = r+s 2009, 501; AG Duisburg, 50 C 2567/09; AG Essen, 10 S 32/10, r+s 2010, 320),
- beim Abkommen von der Fahrbahn wegen Anzündens einer Zigarette ist eine Leistungskürzung von 75 % angemessen (OLG Naumburg, 4 U 133/08, r+s 2010, 319 = SP 2010, 227),
- bei absoluter Fahruntüchtigkeit tritt vollständige Leistungsfreiheit des Versicherers ein (BGH, Urt. v. 11.1.2012 – IV ZR 251/10, VersR 2012, 384 = zfs 2012, 212 = NZV 2012, 225; OLG Dresden, 7 U 466/10, VersR 2011, 205 = DAR 2011, 24; LG Oldenburg, 13 O 1964/10, r+s 2010, 462),
- auch bei alkoholbedingter absoluter Fahruntüchtigkeit ist nicht generell eine Kürzung auf Null angemessen, es kommt auch hier auf die besonderen Umstände des Einzelfalls an (BGH, Urt. v. 22.6.2011 – IV ZR 225/10, zfs 2011, 511; KG, Beschl. v. 28.9.2010 – 6 U 87/10, DAR 2011, 23 = zfs 2011, 29 = NZV 2011, 495; BGH, Urt. v. 11.1.2012 – IV ZR 251/10, VersR 2012, 384 = zfs 2012, 212 = NZV 2012, 225; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 17.9.2012 – 24 U 54/12, VersR 2013, 199 [Haftungsquote von 40 %]),
- wenn die begrenzte Höhe der Einfahrt eines Parkhauses missachtet und ein Fahrzeugschaden verursacht wird, ist eine hälftige Kürzung der Entschädigung angemessen (OLG Stuttgart, Beschl. v. 18.8.2010 – 7 O 102/10, NJW-RR 2011, 185; LG Konstanz zfs 2010, 214),
- wird mit einem gemieteten Lkw gegen eine Straßenbrücke gestoßen, obgleich auf die geringe Durchfahrtshöhe durch entsprechende Verkehrsschilder hingewiesen wird und die Kante der Unterführung deutlich rot-weiß markiert ist, liegt grobe Fahrlässigkeit vor, die eine Kürzung von einem Drittel berechtigt (LG Göttingen r+s 2010, 194),
- ein Fahrzeugführer, der bei winterlichen Straßenverhältnissen mit Sommerreifen von der Fahrbahn abkommt, muss eine Kürzung der Versicherungsleistungen um 50 % hinnehmen (AG Hamburg St. Georg r+s 2010, 323),
- bei relativer Fahruntüchtigkeit (ab 0,3 ‰) ist i.d.R. mit einer Kürzungsquote von 50 % zu beginnen, die sich dann nach dem Grad der Alkoholisierung bis auf 100 % bei absoluter Fahruntüchtigkeit steigert (OLG Hamm, Urt. v. 25.8.2010 – 20 U 74/10, VersR 2011, 207 = SP 2011, 82),
- bei einer Blutalkoholkonzentration von 0,55 ‰ ist eine Leistungskürzung um 25 % angemessen (OLG Düsseldorf, 4 U 101/10, VersR 2011, 1388 = zfs 2012, 26),
- bei einer Blutalkoholkonzentration von 0,54 ‰ ist eine Leistungskürzung um 75 % angemessen (LG Aachen, 2 S 61/11, SP 2011, 405; AG Düren, 44 C 76/12, zfs 2012, 631),
- wenn ein Kraftfahrer nachts einem Fuchs ausweicht und hierdurch einen Fahrzeugschaden verursacht, ist der Aufwendungsersatzanspruch im konkreten Fall um 60 % zu kürzen (LG Trier, 4 O 241/09, zfs 2010, 510),
- bei einer Blutalkoholkonzentration von 0,95 ‰ ist eine Kürzung um zwei Drittel gerechtfertigt (LG Bochum, 5 S 102/11, zfs 2012, 573),
- 50 % Kürzung bei Missachtung der Durchfahrtshöhe einer Unterführung mit einem Mietfahrzeug (LG Hagen, 7 S 31/12, r+s 2013, 578 = SP 2013, 119; 2/3: LG Köln, 26 O 174/10, VersR 2013, 851),
- 50 % Mithaftung bei Aufbewahrung von Fahrzeugschlüsseln in einem nicht abgeschlossenen Aufenthaltsraum (OLG Koblenz, 10 U 1292/11, DAR 2012, 580 = SP 2012, 408),
- 50 % Kürzung bei Aufbewahrung eines Fahrzeugschlüssels im Korb eines Aufenthaltsraums eines Seniorenheims während...