Zu den Werten, auf die sich die Union gründet, gehört u.a. nach Art. 2 Abs. 1 EUV der Grundsatz der „Rechtsstaatlichkeit”. Artikel 47 GRCh garantiert das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf, auf ein unparteiisches Gericht und sichert mittellosen Personen den Zugang zum Recht durch Gewährung von Prozesskostenhilfe. Nach Art. 19 EUV obliegt dem in Luxemburg residierenden Gerichtshof der Europäischen Union – dieser umfasst den Gerichtshof (Art. 251 AEUV), das Gericht (Art. 256 AEUV), früher genannt Gericht 1. Instanz, und die Fachgerichte (Art. 257 AEUV) – die Wahrung des Rechts bei der Auslegung und Anwendung der Verträge. IR dieser Übersicht wird lediglich eingegangen auf das in Art. 267 AEUV geregelte Vorabentscheidungsverfahren, das in die Zuständigkeit des Gerichtshofs fällt, und knapp auf die in Art. 263 Abs. 4 u. 5, 265 Abs. 3 AEUV mit Wirkung seit 1.12.2009 geregelte Nichtigkeitsklage/Untätigkeitsklage als Individualklage auch für private Kläger. Für diese Klagen ist nach Art. 256 AEUV das Gericht zuständig (zum Verfahren vor dem EuGH s. nachfolgend II.).
Die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) ist ein völkerrechtlicher Vertrag, der nach der Ratifizierung am 4.11.1950 durch die Vertragsstaaten verbindlich wurde und in Deutschland den Rang eines innerstaatlichen (Bundes)Gesetzes hat, Art. 59 Abs. 2 S. 1 GG), also unmittelbar anwendbar ist, was auch vor den deutschen Gerichten geltend gemacht werden kann. Die Konvention wird durch bisher 16 in Kraft getretene Zusatzprotokolle (ZP) ergänzt, wobei das 16. ZP am 1.8.2018 in Kraft getreten ist, aber nicht für Deutschland. Bundesgesetze sind im Einklang mit der EMRK auszulegen, wobei den Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) mit Sitz in Straßburg besonderes Gewicht zukommt (BVerfG Beschl. v. 14.10.2004 – 2 BvR 1481/04, NJW 2004, 3407, 3409; hierzu Meyer-Ladewig/Petzold NJW 2005, 15). Zwar steht die EMRK innerstaatlich als Bundesgesetz im Rang unter dem Grundgesetz (GG). Sie ist jedoch als Auslegungshilfe bei der Interpretation der Grundrechte und rechtsstaatlichen Grundsätze des GG heranzuziehen, allerdings nicht i.S. einer schematischen Parallelisierung der Aussagen des GG mit denen der EMRK, sondern durch ein Aufnehmen von Wertungen, soweit dies methodisch vertretbar und mit den Vorgaben des GG vereinbar ist (BVerfG, Beschl. v. 1.12.2020 – 2 BvR 1845/18, NJW 2021, 1518), wo das BVerfG von der Europäischen Union als (u.a.) einem Verfassungsverbund spricht, in dessen Rahmen das BVerfG den Grundrechtsschutz in enger Verbindung mit dem EuGH, dem EGMR und den Verfassungs- und obersten Gerichten der Mitliedstaaten sichere (a.a.O., Rn 38; zu der Entscheidung: Britz NJW 2021, 1489). Artikel 6 Abs. 3 EUV bestimmt, dass die Grundrechte, wie sie in der EMRK gewährleistet sind und wie sie sich aus den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedsstaaten ergeben, als allg. Grundsätze des Unionsrechts anzusehen sind (zur Menschenrechtsbeschwerde an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte s.u. III.).
Auch die in der Europäischen Sozialcharta (ESC) der EU v. 18.10.1961 festgelegten sozialen Grundrechte sind nach Art. 151 AEUV normative Grundlage für das Handeln der EU (hierzu Eichenhofer in: Berlit/Conradis/Pattar, Existenzsicherungsrecht, Kap.l 2, Rn 6). Inhaltlich bemerkenswert ist u.a., dass in Art. 30 der seit 1999 geltenden Fassung der ESC ein Recht auf Schutz gegen Armut und sozialen Ausschluss besteht. Über die Einhaltung der Grundsätze der Sozialcharta, die in der revidierten Form in Deutschland – bei Anbringung von Vorbehalten – am 1.5.2021 in Kraft getreten ist, entscheidet nach deren Art. 25 kein Gericht, sondern ein Sachverständigenausschuss. Wenn dieser Beanstandungen erhebt, kann nach Art. 29 ESC das Ministerkomitee des Europarates Empfehlungen zur Abhilfe an den betroffenen Mitgliedsstaat richten.