Gemäß § 9 RVG kann der Rechtsanwalt von dem Mandanten einen angemessenen Vorschuss für die entstandenen und für die voraussichtlich entstehenden Gebühren und Auslagen verlangen. Nach Eintritt der nach Fälligkeit der Vergütung nach § 8 RVG hat der Rechtsanwalt über diesen Vorschuss gegenüber dem Mandanten abzurechnen. Soweit der Vorschuss nicht vollständig verbraucht wird, ergibt sich aufgrund der vertraglichen Abrechnungspflicht aus §§ 675, 667 BGB ein Rückzahlungsanspruch des Mandanten (s. BGH zfs 2019, 343 m. Anm. Hansens = RVGreport 2019, 208 [Hansens] = AGS 2019, 170 m. Anm. N. Schneider).
Vor einiger Zeit hat sich der BGH in seinem Urt. v. 16.12.2021 – IX ZR 81/21 (zfs 2022, 280 m. Anm. Hansens = AGS 2022, 111 [Tillner]) ausführlich mit dem Vorschussanspruch des Rechtsanwalts und dem Anspruch des Mandanten (im Fall des BGH der Rechtschutzversicherung des Auftraggebers) auf Rückzahlung des Vorschusses befasst.
1. Fall des BGH
Die Klägerin, eine Rechtsschutzversicherung, verlangt aus übergegangenem Recht ihrer Versicherungsnehmerin, einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die Rückzahlung eines nicht verbrauchten Gebührenvorschusses für die Wahrnehmung eines Gerichtstermins in einem finanzgerichtlichen Verfahren. Der Vorschuss betrug 1.994,40 EUR und errechnete sich aus einer 1,2 Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV RVG nach einem Gegenstandswert i.H.v. 167.835,72 EUR. Der Beklagte zu 1 (nachfolgend nur noch: der Beklagte) war neben dem Beklagten zu 2 Gesellschafter der Rechtsanwalts-GbR, die von der Versicherungsnehmerin der Klägerin beauftragt worden war.
Mit Schreiben vom 10.6.2016 teilte der Beklagte der Klägerin mit, dass über das Vermögen der Versicherungsnehmerin das Insolvenzverfahren eröffnet worden sei und es zu der bevorschussten Wahrnehmung des Gerichtstermins deshalb (absehbar) nicht mehr kommen werde. Ferner wies er darauf hin, dass die beauftragte Rechtsanwalts-GbR aufgelöst worden sei und zwischenzeitlich nicht mehr existiere. Daraufhin nahm die Klägerin die Beklagten als Gesellschafter erfolglos außergerichtlich auf Rückzahlung des Vorschusses für die Wahrnehmung des Gerichtstermins in Anspruch. Am 12.2.2019 erwirkte die Klägerin den Erlass von Mahnbescheiden gegen die Beklagten. Am 20.2.2019 erhob der Beklagte Widerspruch. Das Verfahren geriet in Stillstand und wurde von der Klägerin durch Einzahlung des Gerichtskostenvorschusses für die Durchführung des streitigen Verfahrens am 25.6.2020 weiter betrieben.
Im streitigen Verfahren haben die Beklagten die Einrede der Verjährung erhoben. Das AG Osnabrück hat beide Beklagte antragsgemäß verurteilt. Die (nur) vom Beklagten beim LG Osnabrück eingelegte Berufung hat keinen Erfolg gehabt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision wollte der Beklagte weiterhin die Abweisung der gegen ihn gerichteten Klage aufgrund der erhobenen Verjährungseinrede erreichen. Seine Revision hatte keinen Erfolg.
2. Anspruch auf Rückgewähr des Vorschusses
Der Anspruch auf Rückgewähr desjenigen Teils des geleisteten Vorschusses, der die tatsächlich geschuldete Vergütung übersteigt, leitet sich aus dem Anwaltsvertrag ab. Anspruchsgrundlage für den Rückzahlungsanspruch ist er allerdings nicht, sondern es sind die §§ 675, 667 BGB mindestens in entsprechender Anwendung (BGH zfs 2019, 343 m. Anm. Hansens = RVGreport 2019, 208 [ders.] = AGS 2019, 170 m. Anm. N. Schneider). Der Rechtsanwalt hat über erhaltene Vorschüsse abzurechnen. Eine entsprechende vertragliche Pflicht folgt aus §§ 675, 666 BGB (vgl. BGH, a.a.O.). Unabhängig von der Abrechnung braucht der Rechtsanwalt erhaltene Vorschüsse nicht zurückzuzahlen, soweit sein Vergütungsanspruch entstanden und fällig geworden ist (BGH, a.a.O.).
Nach der Rechtsprechung des BGH entsteht der Anspruch auf Rückzahlung nicht verbrauchter Vorschüsse mit der Fälligkeit des Vergütungsanspruchs gem. § 8 Abs. 1 RVG (BGH a.a.O., BGH zfs 2019, 343 m. Anm. Hansens = RVGreport 2019, 208 [ders.] = AGS 2019, 170 m. Anm. N. Schneider). Gemeint ist damit die Entstehung des Anspruchs i.S.d. § 199 Abs. 1 BGB. Nach dieser Vorschrift ist ein Anspruch entstanden, sobald er erstmals vom Gläubiger geltend gemacht und mit einer Klage durchgesetzt werden kann. Das setzt grds. die Fälligkeit des Anspruchs voraus, da erst von diesem Zeitpunkt an (§ 271 BGB) der Gläubiger mit Erfolg die Leistung fordern und ggf. den Ablauf der Verjährungsfrist durch Klageerhebung unterbinden kann.
Demgegenüber hängt der Anspruch des Mandanten nicht davon ab, dass der Rechtsanwalt eine ordnungsgemäße den Anforderungen des § 10 RVG entsprechende und den Vorschuss berücksichtigende Vergütungsberechnung erteilt hat. Vielmehr ist allein auf die Fälligkeit der Vergütung nach § 8 RVG abzustellen. Von diesem Zeitpunkt an lässt sich feststellen, ob und in welcher Höhe der Vorschuss verbraucht worden ist. Es ist kein Grund ersichtlich, den Rückforderungsanspruch des Mandanten von einer ordnungsgemäßen Berechnung gem. § 10 RVG abhängig zu machen. Der Schutz des Mandanten ist durch die subjektiven Voraussetzungen des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB gewä...