Mit der Thematik des Zugangsnachweises einer per E-Mail ausgesprochenen Abmahnung hatte sich das LG Offenbach (Beschl. v. 21.4.2023 – 5 O 2/23 KfH) zu befassen. Ein qualifizierter Wirtschaftsverband (Antragsteller) hatte eine Händlerin (Antragsgegnerin) abgemahnt und – da innerhalb der gesetzten Frist keine Unterwerfung erfolgte – Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung auf Unterlassung gestellt. Die Antragsgegnerin gab daraufhin die geforderte Unterlassungserklärung ab. Das einstweilige Verfügungsverfahren wurde übereinstimmend für erledigt erklärt, sodass das Gericht nach § 91a ZPO nur noch über die Kosten zu entscheiden hatte. Der Antragsteller wies nach, dass er das Abmahnschreiben am Tage der Erstellung per E-Mail an die Antragsgegnerin versendet hatte und sich der Text nicht in einem Anhang, sondern in der E-Mail selbst befunden hat. Die Antragsgegnerin bestritt den Zugang der E-Mail und behauptete, sie hätte die Abmahnung erst später per Post erhalten, als bereits das Verfügungsverfahren eingeleitet worden war.
Das Gericht wies zunächst auf die Rechtsprechung des BGH hin. Danach gilt, dass eine E-Mail dem Empfänger grds. in dem Zeitpunkt zugeht, in dem sie ihm im unternehmerischen Geschäftsverkehr innerhalb der üblichen Geschäftszeiten auf seinem Mailserver abrufbereit zur Verfügung gestellt wird. Dabei kommt es nicht darauf an, dass die E-Mail tatsächlich abgerufen und/oder zur Kenntnis genommen wurde. Der von einem Empfänger für den Empfang von E-Mail-Nachrichten genutzte Mailserver ist jedenfalls dann, wenn der Empfänger durch Veröffentlichung der E-Mail-Adresse oder sonstige Erklärungen im Geschäftsverkehr zum Ausdruck bringt, Rechtsgeschäfte mittels elektronischer Erklärungen i.F.v. E-Mails abzuschließen, als sein Machtbereich anzusehen, in dem ihm Willenserklärung in elektronischer Form zugehen können (vgl. BGH, Urt. v. 6.10.2022 – VII ZR 895/21, ZAP EN-Nr. 721/2022).
Die Antragsgegnerin hatte ihre E-Mail-Adresse zu Zwecken der Kommunikation veröffentlicht. Auf Grund des konkreten Sachverhalts ging das Gericht davon aus, dass die E-Mail bei der Antragsgegnerin auch unmittelbar nach Versendung eingegangen war. Zwar könne ein Zugang i.S.v. § 130 Abs. 1 BGB trotzdem dann ausscheiden, wenn der Empfänger der E-Mail nachweisen kann, dass diese mit der Abmahnung nicht in seiner Mailbox eingegangen ist, sondern von der Firewall oder einem Spam-Filter abgefangen wurde. Die insoweit von Antragsgegnerseite vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen waren allerdings insofern nicht hinreichend tauglich, den erforderlichen Nachweis zu führen. Die abstrakte Mutmaßung, derartiges könne gelegentlich geschehen, ist jedenfalls kein relevanter Sachvortrag in einem Gerichtsverfahren. Da von einem Zugang der Abmahnung per E-Mail auszugehen war, entschied das Gericht, dass die Antragsgegnerin die Kosten des Verfügungsverfahrens zu tragen hat (vgl. ebenso LG Hamburg, Urt. v. 27.4.2022 – 416 HK O 108/21; vgl. ferner LG München I, Urt. v. 7.3.2022 – 4 HK O 15045/21; s. zu der Thematik des Zugangs einer Abmahnung, sofern diese als PDF-Dokument einer E-Mail-Nachricht beigefügt ist: OLG Hamm, Beschl. v. 9.3.2022 – 4 W 119/20, ZAP EN-Nr. 293/2022).