Zusammenfassung
- Ansprüche gegen das Versorgungswerk der Architektenkammer Baden-Württemberg sind trotz ihrer Unabtretbarkeit grundsätzlich wie Arbeitseinkommen in den Grenzen von §§ 850c ff. ZPO pfändbar (Fortführung von BGH, Beschl. v. 25.8.2004 – IXa ZB 271/03, BGHZ 160, 197; Beschl. v. 28.3.2007 – VII ZB 43/06, MDR 2007, 907).
- Die mit einer Pfändung verbundene Beschlagnahme erstreckt sich ohne Weiteres auf alle Nebenrechte, die im Fall einer Abtretung oder eines gesetzlichen Forderungsübergangs nach §§ 401, 412 BGB mit auf den neuen Gläubiger übergehen.
- Mit der Pfändung der Ansprüche auf Zahlung des Altersruhegeldes gem. §§ 24 Abs. 1 Nr. 2, 27 Satzung Versorgungswerk der Architektenkammer Baden-Württemberg (Satzung AK BW) für Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft wird das Recht, einen Leistungsantrag nach § 24 Abs. 5 Satzung AK BW – auch rückwirkend – zu stellen, umfasst. Dem steht der sozialrechtlich gebotene Schutz des unpfändbaren Stammrechts eines berufsständischen Altersruhegeldes nicht entgegen.
BGH, Beschl. v. 5.7.2023 – VII ZB 3/20 (amtl. Leitsätze)
I. Sachverhalt
Gegen den Schuldner (ein freiberuflich tätiger Architekt) betrieb ein Gläubiger wegen eines Betrags i.H.v. rund 65.000 EUR die Zwangsvollstreckung. Der Schuldner war Mitglied des Versorgungswerks der Architektenkammer Baden-Württemberg (Drittschuldner) und erreichte vor dem 1.9.2015 die in der Satzung des Drittschuldners (nachfolgend: Satzung) definierte Altersgrenze für den Bezug von Altersruhegeld. Einen Antrag auf Gewährung einer Altersruhegeldrente hat der Schuldner bei dem Drittschuldner bisher nicht gestellt. Auf Antrag des Gläubigers hat das Vollstreckungsgericht im März 2018 einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss erlassen mit – soweit vorliegend von Bedeutung – folgendem Inhalt:
Zitat
a) |
Gepfändet wird weiter das Gestaltungsrecht des Schuldners, den Antrag auf Zahlung des Altersruhegeldes an das Versorgungswerk der Architektenkammer in Baden-Württemberg mit Rückwirkung zum 1.9.2015 zu stellen. |
Hilfsweise:
b) |
Gepfändet wird das Gestaltungsrecht, den Antrag auf Zahlung des Altersruhegeldes an das Versorgungswerk der Architektenkammer in Baden-Württemberg. |
c) |
Gepfändet wird das Guthaben aus dem Anspruch auf Zahlung der Altersrente für die Vergangenheit (rückwirkend zum 1.9.2015) ohne Abzug der für die Pfändung von Arbeitseinkommen geltenden Pfändungsgrenzen nach den Vorschriften der §§ 850 ff. ZPO i.V.m. der Tabelle zu § 850c Abs. 3 ZPO. |
In seiner Drittschuldnererklärung hat der Drittschuldner die Forderung anerkannt und mitgeteilt, Altersruhegeld werde erstmals am 1.9.2015 gezahlt. Der Schuldner habe noch keine Altersrente beantragt. Die Pfändung könne nur gem. §§ 850a bis 850i ZPO erfolgen. Es beständen bereits vorrangig zu erfüllende sonstige Forderungen i.H.v. mehr als 191.000 EUR.
Der Schuldner hat gegen den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss Erinnerung nach § 766 ZPO eingelegt, die das Amtsgericht zurückgewiesen hat. Hiergegen hat der Schuldner sofortige Beschwerde (§ 793 ZPO) erhoben, die ebenfalls zurückgewiesen wurde. Sodann hat sich der Schuldner mit der vom Landgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde (§ 574 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 ZPO) an den BGH gewandt, mit der er in erster Linie die Aufhebung des Pfändungs- und Überweisungsbeschluss begehrte. Nachdem über das Vermögen des Schuldners das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, führte die bestellte Insolvenzverwalterin, der die Befugnis zugefallen ist, die Insolvenzmasse betreffende Prozesse zu führen, die Rechtsbeschwerde weiter.
Die Rechtsbeschwerde ist nur teilweise begründet. Im Einzelnen führt das Gericht aus:
II. Pfändung trotz Nichtübertragbarkeit der Forderung
Nach § 851 Abs. 1 ZPO ist eine Forderung in Ermangelung besonderer Vorschriften der Pfändung nur insoweit unterworfen, als sie übertragbar ist. Nach § 36 Abs. 1 der Satzung können Ansprüche aus dem Versorgungsverhältnis, und damit auch die Ansprüche auf Altersruhegeld, nicht übertragen werden. Der BGH hat bereits (Beschl. v. 25.8.2004 – IXa ZB 271/03, juris Rn 7 ff. hierzu Geisler, jurisPR-BGHZivilR 45/2004 Anm. 1) in Bezug auf Ansprüche gegen das Versorgungswerk für Rechtsanwälte in Baden-Württemberg
in dessen Satzung die Übertragbarkeit, Abtretung und Verpfändung der Ansprüche auf Leistung ausgeschlossen war, was aktuell weiterhin nach § 35 dieser Satzung, Stand 1.1.2022, der Fall ist
entschieden, eine verfassungskonforme einschränkende Auslegung von § 851 Abs. 1 ZPO im Zusammenspiel mit dem Satzungstext ergebe, dass diese Leistungsansprüche zumindest wie Arbeitseinkommen nach § 850a ff ZPO pfändbar sind, um dem nach Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG geschützten Befriedigungsrecht eines Gläubigers Rechnung zu tragen. In gleicher Weise hat der BGH (Beschl. v. 28.3.2007 – VII ZB 43/06, Rn 7 ff.) entschieden, wo es um entsprechende Ansprüche gegen die Versorgungsanstalt der deutschen Bezirksschornsteinfegermeister ging. An dieser Rechtsprechung hält der BGH fest.
III. Anwendbarkeit der gesetzlichen Pfändungsfreigrenzen
Soweit der Pfändungsbeschluss anordnet, dass die Pfändungsfreigrenzen (s. §§ 850c ff. ZPO) keine Anwendung finden, gibt es dafür keine vollstreckungsrechtlic...