1. Grundsatz
Im Rechtsverkehr sind nach der Klarstellung in § 6 Abs. 1 SBGG der jeweils aktuelle Geschlechtseintrag und die jeweils aktuellen Vornamen maßgeblich, soweit auf die personenstandsrechtliche Geschlechtszuordnung oder die Vornamen Bezug genommen wird und im Gesetz (wie z.B. in § 9 SBGG, s.u. unter IX.) nichts anderes bestimmt ist.
2. Geschlechtsneutrale Regelungen
Gesetzliche Regelungen, die sich auf Männer und Frauen beziehen und für beide Geschlechter dieselben Rechtsfolgen vorsehen, gelten nach der Auslegungsregel des § 12 SBGG für Personen unabhängig von der im Personenstandsregister eingetragenen Geschlechtsangabe und auch dann, wenn keine Angabe eingetragen ist.
3. Ausnahmen
a) Privatautonomie
In Bezug auf den Zugang zu Einrichtungen und Räumen sowie zur Teilnahme an Veranstaltungen bleiben nach der Klarstellung des § 6 Abs. 2 SBGG die Vertragsfreiheit und die Ausübung des Hausrechts des jeweiligen Eigentümers oder Besitzers (wobei das Hausrecht „andere Vorschriften und dort gesetzte Grenzen der Vertragsfreiheit”, beispielsweise die Grenzen des AGG, zu beachten hat, RegE, BT-Drucks 20/9049, S. 42) sowie das Recht (privatrechtlicher wie öffentlich-rechtlicher) juristischer Personen, ihre Angelegenheiten durch Satzung zu regeln (autonomes Satzungsrecht), unberührt.
Nachfolgend werden besonders relevante Fallkonstellationen unter Bezugnahme auf Regelungen des SBGG aufgelistet:
aa) Zugang zu geschlechtsspezifischen Toiletten und Umkleideräumen
Den Zugang zu Toiletten und Umkleideräumen regelt das Hausrecht – wobei es für den Zugang
„in der Praxis nicht auf den Geschlechtseintrag einer Person im Personenstandsregister an[kommt], der für gewöhnlich [auch] nicht kontrolliert wird” (RegE, BT-Drucks 20/9049, S. 42).
„Auch zukünftig können Personen nach einer Änderung des Geschlechtseintrags nicht lediglich unter Berufung auf den Eintrag im Personenstandsregister eine bestimmte Behandlung und z.B. den Zugang zu geschlechtsspezifischen Toiletten oder Umkleideräumen verlangen” (RegE, BT-Drucks 20/9049, S. 42).
Eine unterschiedliche Behandlung zweier Personen, die im Personenstandsregister als Angehörige desselben personenstandsrechtlichen Geschlechts eingetragen sind, kann ggf. zwar eine Benachteiligung i.S.d. AGG darstellen, die jedoch nach den Vorgaben des § 20 Abs. 1 AGG bei Vorliegen eines sachlichen Grundes gerechtfertigt sein kann, z.B. dann, wenn ein „Bedürfnis nach Schutz der Intimsphäre oder der persönlichen Sicherheit” besteht (§ 20 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 AGG).
bb) Zugang zu geschlechtsspezifischen Saunen
Den Zugang regelt der Inhaber des Hausrechts, womit „auch zukünftig Personen nicht lediglich unter Berufung auf ihren Eintrag im Personenstandsregister Zugang zu einer geschlechtsspezifischen Sauna verlangen [können]” (RegE, BT-Drucks 20/9049, S. 42).
cc) Frauenhäuser
Das „autonom organisierte Frauenhaus entscheidet über den Zugang in eigener Verantwortung nach dem jeweiligen Satzungszweck und in Ausübung des Hausrechts” (RegE, BT-Drucks 20/9049, S. 42).
dd) Frauenparkplätze
Wenn auf die Bereitstellung von Parkplätzen das AGG zur Anwendung gelangt, kann bei der Ausübung des Hausrechts ggf. über § 20 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 AGG eine unterschiedliche Behandlung wegen des Geschlechts gerechtfertigt sein, zumal „Anknüpfungspunkt für die Inanspruchnahme von Frauenparkplätzen ... nicht der personenstandsrechtliche Geschlechtseintrag [ist], sondern die Gefahr, Opfer von Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung zu werden” (RegE, BT-Drucks 20/9049, S. 43).
ee) Sportvereine
„Sportvereine entscheiden selbst über den Zugang zu ihren Einrichtungen und Veranstaltungen in eigener Verantwortung nach ihrer jeweiligen Satzung” (RegE, BT-Drucks 20/9049, S. 43).
ff) Unterbringung im Justizvollzug
Das SBGG verlangt nicht, dass Personen immer entsprechend ihrem personenstandsrechtlichen Geschlechtseintrag in einer Männer- oder Frauenhaftanstalt untergebracht werden, da hier keine alleinige Orientierung am Geschlechtseintrag, sondern an den Sicherheitsinteressen und Persönlichkeitsrechten aller Strafgefangenen erfolgt (RegE, BT-Drucks 20/9049, S. 44).
b) Bewertung sportlicher Leistungen
Die Bewertung sportlicher Leistungen (Schulsport oder Sporttests) kann nach der Klarstellung in § 6 Abs. 3 SBGG unabhängig vom aktuellen Geschlechtseintrag geregelt werden.
c) Gesundheitsbezogene Maßnahmen und Leistungen
Auf den aktuellen Geschlechtseintrag kommt es nach § 6 Abs. 4 SBGG bei allen gesundheitsbezogenen Maßnahmen und Leistungen nicht an, sofern diese im Zusammenhang mit körperlichen (insb. organischen) Gegebenheiten stehen (beispielsweise eine geschlechtsspezifische Früherkennungsuntersuchung), da die gesetzliche Krankenversicherung ihre Leistungen an einen individuellen Bedarf nach biologischen Gegebenheiten anknüpft (unabhängig vom personenstandsrechtlichen Geschlecht, RegE, BT-Drucks 20/9049, S. 44): Versicherte haben nach § 27 SGB V Anspruch auf Leistungen, wenn sie „notwendig” sind.
4. Eltern-Kind-Verhältnis
§ 11 SBGG regelt das Eltern-Kind-Verhältnis bei Personen, deren Geschlechtseintrag geändert wurde oder weder mit „männlich” noch mit „weiblich” angegeben ist – und welche Personen welche Elternstelle nach den §§ 1591, 1592 BGB erlangen können (RegE, BT-Drucks 20/9049, S. 51).
a) Regelung der Elternrolle
§ 11 Abs. 1 S. 1 SBGG regelt die Elternrolle für die Fälle der §§ 1591, 1592 Nr. 3 BGB und § 11 Abs. 1 S. 2 SBGG für die Fälle des § 1592 Nr. ...