Das LG Arnsberg hatte sich mit der Frage zu befassen, welche Auswirkungen eine fehlende Angabe der Telefonnummer in der Widerrufsbelehrung (Fernabsatzkauf) hat. Der Kläger, ein Verbraucher, hatte bei der Beklagten, die Herstellerin und Vertreiberin von Elektrofahrzeugen ist, einen Neuwagen zum Preis von 66.320 EUR bestellt. Bei Vertragsabschluss verwendete die Beklagte eine Widerrufsbelehrung und ein Muster-Widerrufsformular, jeweils ohne Angabe ihrer Telefonnummer, obwohl sie die Telefonnummer auf ihrer Webseite unter „Kontakt” und „Impressum” veröffentlichte.
Das amtliche Muster für die Widerrufsbelehrung bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und bei Fernabsatzverträgen mit Ausnahme von Verträgen über Finanzdienstleistungen sieht im amtlichen Gestaltungshinweis Nr. 2 vor: „Fügen Sie Ihren Namen, Ihre Anschrift, Ihre Telefonnummer und Ihre E-Mail-Adresse ein.” Das amtliche Muster für das Widerrufsformular sieht keine Nennung einer Telefonnummer vor (da es vorrangig für die Textform konzipiert ist).
Nach Abholung und Zulassung des Fahrzeugs sowie nach Ablauf der 14-tägigen Widerrufsfrist erklärte der Kläger den Widerruf des Kaufvertrages und forderte die Beklagte zur Rückabwicklung auf. Die Beklagte wies den Widerruf zurück, woraufhin der Kläger auf Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des Fahrzeugs, auf Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten sowie auf Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten klagte. Das LG Arnsberg (Urt. v. 22.2.2024 – 4 O 273/23) wies die Klage ab. Der Umstand, dass die übermittelte (individuelle) Widerrufsbelehrung keine Telefonnummer der Beklagten enthalten hatte, sei unbeachtlich (so auch LG Münster, Urt. v. 14.9.2023 – 2 O 101/23; LG Paderborn, Urt. v. 31.1.2024 – 4 O 279/23 und 3.1.2024 – 3 O 240/23). Wortlaut, Systematik, Gesetzesmaterialien und Kontext der einschlägigen Normen in BGB und EGBGB ergäben keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Angabe der Telefonnummer verpflichtend ist. Eine für den Fristbeginn allein maßgebliche vollständige Informationserteilung erfordere bei Fernabsatzverträgen nach Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB (lediglich) eine ausreichende Information des Verbrauchers über die Bedingungen, die Fristen und das Verfahren für die Ausübung des Widerrufsrechts sowie über das Muster-Widerrufsformular nach Anlage 2 (und nicht über die – nicht obligatorisch zu verwendende – Muster-Widerrufsbelehrung nach Anlage 1). Durch die Nichtangabe der Telefonnummer entstehe im Übrigen auch nicht der Eindruck, dass ein telefonischer Widerruf nicht möglich wäre, da im Weiteren nur beispielhaft verschiedene Kommunikationsformen dargestellt werden und ohnehin für den Widerruf kein Formzwang besteht. Auch aus dem Verweis auf das Muster-Widerrufsformular gem. Anlage 2 zu Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB folge, dass der Unternehmer seinen Namen und seine Anschrift angeben muss, die Angabe der Telefonnummer aber gerade nicht zwingend ist: („[hier ist der Name, die Anschrift und die E-Mail-Adresse des Unternehmers durch den Unternehmer einzufügen]”). Ferner sei den Gesetzgebungsmaterialien zu entnehmen, dass der Gesetzgeber nicht grds. von einem telefonischen Widerruf ausging, weil neben dem Widerruf unter Verwendung des Widerrufsformulars lediglich die Möglichkeiten des Widerrufs per Post, E-Mail oder Telefax in Erwägung gezogen wurden (BT-Drucks 17/12637, S. 60).
Die Benutzung des Belehrungsmusters in Anlage 1 zu Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1, S. 2 EGBGB sei nicht obligatorisch, wie sich bereits aus dem Wortlaut („kann”) des Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 2 EGBGB ergebe, sodass es der Beklagten freistand, eine eigene Widerrufsbelehrung zu formulieren. Auch regele die Muster-Widerrufsbelehrung keinen Mindeststandard, der an alle individuellen Widerrufsbelehrungen anzulegen ist. Die Bedeutung der Muster-Widerrufsbelehrung liege vielmehr in der Privilegierung des Unternehmers durch die Gesetzlichkeitsfiktion, vgl. Art. 6 Abs. 4 S. 2 der Verbraucherrechterichtlinie. Der Muster-Widerrufsbelehrung komme keine eigene normative Wirkung zu und sie verändere nicht die Vorgaben der RL 2011/83/EU (Verbraucherrechterichtlinie) an die Widerrufsbelehrung (Art. 6 Abs. 1 Buchst. h der Verbraucherrechterichtlinie). Einzige Auswirkung sei, dass der Unternehmer, der die Muster-Widerrufsbelehrung nicht verwendet, gerade nicht in den Genuss der genannten Fiktion komme, auf die sich die Beklagte vorliegend auch gar nicht berief.
Ob die Sichtweise des LG Arnsberg, des LG Münster und des LG Paderborn, die sich von der Begründung her sehr ähneln, mit der Rspr. des BGH und des EuGH in Einklang zu bringen sind, ist fraglich.
Der BGH (Urt. v. 1.12.2022 – I ZR 28/22) hatte entschieden, dass die Privilegierung dem Unternehmer nur dann zugutekomme, wenn die Muster-Widerrufsbelehrung unverändert verwendet und richtig ausgefüllt werde. Bei Abweichungen der Muster-Widerrufsbelehrung trage der Unternehmer hingegen das alleinige Risiko einer fehlerhaften Belehrun...