Seit Mai 2010 müssen Dienst- und Geschäftsreisende ins Ausland die sog. A1-Bescheinigung für die vorübergehende Erwerbstätigkeit eines Selbstständigen bzw. für die Entsendung einer abhängig beschäftigten Person ins EU- und EFTA-Ausland mitführen. Grundlage hierfür ist die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 zur Koordinierung der Sozialsysteme, deren Ziel es ist, Sozialversicherungsbetrug zu verhindern. Auch Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte fallen unter diese Bestimmung. Dass die Regelung jedoch auf Freiberufler wie Anwälte nicht recht passt, hat kürzlich Huff in der ZAP-Kolumne ("Ein Bürokratiemonster lässt grüßen", s. ZAP 5/2019, S. 223 f.) eindrücklich geschildert.
Aus diesem Grund gab es auch bereits Vorstöße, die Regelung wieder zu vereinfachen. So hatten im März des Jahres das Europäische Parlament und der Europäische Rat eine Modernisierung der Regelungen zur Koordinierung der Sozialsysteme in Aussicht gestellt (vgl. ZAP-Anwaltsmagazin 8/2019, S. 376). Allerdings ist seitdem nicht viel passiert, denn eine Einigung in den politischen Gremien der EU kam bislang nicht zustande. Dies war jetzt Anlass für die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK), sich an das Ministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) zu wenden und um Unterstützung im Interesse der Rechtsanwälte zu bitten. Mit Schreiben vom 10. September an die Bundesjustizministerin weist die Kammer darauf hin, dass für Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte die Beantragung der Bescheinigung insbesondere deshalb problematisch ist, weil i.R.d. Fragebogens Angaben zur Arbeits- bzw. Beschäftigungsstelle und damit u.U. zum Mandanten gemacht werden müssen.
Die BRAK betont, dass die anwaltliche Verschwiegenheitspflicht Rechtsanwälte verpflichtet, im Interesse ihrer Mandanten alle im Rahmen eines Mandats gewonnenen Erkenntnisse geheim zu halten, wozu auch die Tatsache gehöre, dass das Mandat überhaupt bestehe. Rechtsanwälte müssten somit mit der Beantragung der Bescheinigung einen ihrer Kernwerte verletzten, um eine bürokratische Auflage zu erfüllen, durch die zwar theoretisch Sozialversicherungsbetrug verhindert werden soll, wobei allerdings unklar sei, wie Rechtsanwälte einen solchen Betrug begehen sollten.
Die BRAK weist ferner darauf hin, dass sich der federführende Ausschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten der EU in einer Sitzung Anfang September dafür ausgesprochen hat, so schnell wie möglich die Trilog-Verhandlungen wieder aufzunehmen, um eine praktikablere Regelung mit einer Ausnahme für Geschäftsreisen zu ermöglichen. Die BRAK bittet die Ministerin daher eindringlich um ihre Unterstützung, eine dahingehende Klarstellung durchzusetzen und innerhalb der Bundesregierung dafür zu werben, eine entsprechende Neuregelung zu unterstützen.
[Quelle: BRAK]